"Wir sollten den Tod als Teil des Lebens begreifen"

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Soziales

Pflegestützpunkt Rheingau-Taunus informierte über Spezialisierte ambulante Palliativversorgung



Die ersten Fotos zeigen einen rüstigen, kräftigen Senior mit Baseballkappe auf dem Kopf und dem typischen Baumfäll

Pflegestützpunkt Rheingau-Taunus informierte über Spezialisierte ambulante Palliativversorgung

Die ersten Fotos zeigen einen rüstigen, kräftigen Senior mit Baseballkappe auf dem Kopf und dem typischen Baumfällerhemd mit hochgekrempelten Ärmeln, der zufrieden in die Kamera lächelt. Auf dem letzten Bild liegt der gleiche Mann auf dem Bett in seinem Zimmer, abgemagert, ohne jede Bewegung. Zwischen diesen beiden Fotos wird in einem eindrucksvollen, bewegenden Film, der mit der Aneinanderreihung von Bildern arbeitet, das Leben des Amerikaners Frank und seiner Familie dargestellt. Oder besser gesagt: der dreijährige Prozess des Sterbens von Frank, einem ganz normalen älteren Herrn. Anhand der vielen Bilder werden die Veränderungen in Franks Wesen, seinem Verhalten, wie in seiner körperlichen und geistigen Verfassung innerhalb von drei Jahren bis zu seinem Tod dokumentiert.

Der Pflegestützpunkt des Rheingau-Taunus-Kreises hatte am Mittwoch zu einem weiteren Thementag eingeladen. Diesmal lautete das Thema "Leben und Sterben in Würde - Spezialisierte ambulante Palliativversorgung zu Hause und im Pflegeheim", das etwa 70 Zuhörerinnen und Zuhörer - vor allem aus dem Bereich der Pflegedienste - in die Cafeteria des Kreishauses lockte. Petra Nägler-Daniel vom Pflegestützpunkt: "Die große Resonanz zeigt, dass das Thema in der Gesellschaft rege diskutiert wird, weil sich viele die Frage stellen, wie kann ich etwa einem schwerstkranken Familienmitglied garantieren, dass er oder sie in Würde sterben kann?"

Zu Beginn des Thementages zeigte Günther Wagner, Filmwissenschaftler aus Wiesbaden, die Dokumentation über Frank und seine Familie oder wie es in der Einladung hieß: "Darstellung von Sterben und Tod im Film". Der Film zeigt, wie die Familie mit den schleichend eintretenden Veränderungen Franks umgeht, die mit ersten Erinnerungslücken und Verwirrtheit beginnen und sich dann in eine Demenz steigern.

"Über viele Jahrzehnte wurde das Sterben und der Tod von uns ausgeblendet. Niemand spricht gerne über den Tod", betonten dann auch Petra Nägler-Daniel und Jürgen Aurand, die beiden Mitarbeiter des Pflegestützpunktes. Seit zirka 20 Jahren verändert sich das Denken. "Wir sollten das Sterben und den Tod als Teil des Lebens begreifen", forderte Dr. Claudia Bork, Mitglied des Palliative Care Teams Untertaunus. Es gelte, die "Menschen in der Phase des Sterbens nicht alleine zu lassen". Vielmehr müsse diese Zeit - ab der ein Patient die Nachricht erhält, dass er unheilbar krank ist - "besser gestaltet werden, als dies bisher geschah, so Petra Nägler-Daniel und Claudia Bork. Diese Hilfe und Unterstützung für den Schwerkranken und seine Angehörigen bieten Hospize und die Palliativversorgung inzwischen an.

Claudia Bork fiel zunächst die Aufgabe zu, die Entwicklung der "Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung in Wiesbaden und dem Kreis zu erläutern. Schwerkranke Menschen hätten verstärkt den Wunsch, möglichst lange zu Hause in der vertrauten Umgebung zu bleiben und Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Hier knüpft die Arbeit der Palliativmedizin an, die nach dem Grundsatz handelt, "den Tagen mehr Leben geben". Claudia Bork: "Das Palliative Care Team begleitet Patienten in ihrer letzten Lebensphase." Denn laut Definitionen der WHO versteht sich die Palliativmedizin, als eine "aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer voranschreitenden, weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht und die Beherrschung von Schmerzen, anderen Krankheitsbeschwerden, psychologischen, sozialen und spirituellen Problemen höchste Priorität besitzt".

Bei der Behandlung stehen die Lebensqualität, also die Wünsche, Ziele und das Befinden des Patienten im Vordergrund der Behandlung. Wer eine ambulante palliative Versorgung beantragt, erhält eine umfassende Unterstützung. "Wir machen dann noch am gleichen Tag einen Hausbesuch, bei dem die Symptom-Erfassung und die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs im Vordergrund stehen." Dabei werden Wünsche und Bedürfnisse des Schwerstkranken ermittelt. Ein wichtiges Ziel sei es zudem, die belastenden Symptome, wie beispielsweise Ängste, Schlaflosigkeit oder Depressionen, zu behandeln.

Zu dem Maßnahmenkatalog gehören auch ein vorbeugendes Krisenmanagement, eine psychosoziale Begleitung und Unterstützung, die Organisation von Medikamenten sowie die Stärkung der Angehörigen, um die Situation in der Familie zu stabilisieren. Das Palliative Care Team im Untertaunus bietet zudem einen 24-Stunden-Notruf an, um Ärzte und Krankenschwestern des Teams zu jeder Zeit erreichen zu können. Anschließend berichteten Dr. Volker Bork vom Palliativ Care Team über die Versorgung einer Patientin sowie Dagmar Kiefert über den täglichen Einsatz als Palliative Care Schwester. Es schloss sich ein reger Meinungsaustausch der Referenten mit den Teilnehmern an.

Kontakt zum Zentrum für ambulante Palliativversorgung: Telefon: 06128/74869123.

Kontakt zum Pflegestützpunkt Rheingau-Taunus: Telefon 06124/510525 (Petra Nägler-Daniel) und Telefon 06124/510527 (Jürgen Aurand).