„Wir mussten uns oft nach der Decke strecken“

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Verkehr (allgemein)

RTV-Geschäfts­führer Roland Buitkamp geht in den Ruhestand / Musste sich stets nach der finan­ziellen Decke strecken / Gelassen und beson­nen reagieren

RTV-Geschäftsführer Roland Buitkamp geht in den Ruhestand / Musste sich stets nach der finanziellen Decke strecken / Gelassen und besonnen reagieren

Die letzten, wichtigen Unterschriften sind getätigt. Der Schreibtisch ist bereits aufgeräumt. Der Blick ist in die Zukunft gerichtet, ohne jeden Wehmut, aber „mit viel Freude auf das was kommt“, wie es Roland Buitkamp nüchtern formuliert. Am 30. Juni 2019 endet nämlich seine Zeit als Geschäftsführer der Rheingau-Taunus-Verkehrsgesellschaft (RTV). Ab 1. Juli befindet er sich dann im Ruhestand und hat klare Vorstellungen: „Ich werde viele Wanderungen und Reisen mit meiner Frau unternehmen, mich selbstverständlich um die Familie mit zwei Kindern und vier Enkeln kümmern und mich meinem Hobby, unserem Garten, ausführlich widmen“, berichtet Roland Buitkamp, der am 1. September 1974 seine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter im Kreishaus des damals selbstständigen Untertaunus-Kreises begann.

Im Bauamt war der heute 61-Jährige zunächst tätig, ehe der Wechsel ins Schulamt des Rheingau-Taunus-Kreises folgte. Dort lag der Schwerpunkt seiner Arbeit unter anderem im Bereich der Schülerverkehre sowie der Betreuungsangebote am Nachmittag in Schulen. Buitkamp: „2008 ereilte mich dann der Ruf von Landrat Burkhard Albers, der mir den Geschäftsführer-Posten in der RTV wegen meiner Kenntnisse im Bereich des freigestellten Schülerverkehres anbot, der eng mit dem ÖPNV verbunden war.“ „Die ersten, europaweiten Ausschreibungen der RTV für die Linienbündel im Kreisgebiet standen an. Eine überaus arbeitsintensive und umfangreiche Aufgabe, die von einem einzigen Geschäftsführer - der damals Eckhard Bernstorff hieß - nicht zu bewältigen war“, erinnert sich Buitkamp im Rückblick. Er sagte zu und es folgten elf spannende, oft sehr aufregende Jahre als RTV-Geschäftsführer.

Denn als Geschäftsführer drohte er oft zwischen den Mühlsteinen, zwischen den Wünschen von Politik und Kunden sowie andererseits dem finanziell Machbaren, zerrieben zu werden. Deshalb ist es Buitkamp wichtig, darauf zu verweisen, wie der ÖPNV im Kreisgebiet und damit die RTV aufgestellt war. „Schließlich mussten wir als RTV-Geschäftsführung zu Beginn den ÖPNV, der im Kreis vor zirka 15 Jahren kaum eine Rolle spielte, weil es nur ganz wenige Buslinien gab, erst einmal stabilisieren und dann peu à peu durch Hinzunehmen neuer Linie zu verstärken. Des Weiteren entwickelten wir neue, attraktive Konzepte. Das geschah etwa durch die Einbindung des damals noch freigestellten Schülerverkehrs in den Linienverkehr im Kreis, der dadurch einen größeren Umfang erhielt“, erinnert er sich.

Weil der im Vergleich kleinen Verkehrsgesellschaft RTV jedoch oftmals die finanziellen Möglichkeiten fehlten, musste sich die Geschäftsführung „immer nach der Decke strecken“ und auch improvisieren. „Keine leichte Aufgabe!“, gesteht Buitkamp freimütig. Es galt zu jeder Zeit die Balance zwischen Ausgaben und Einnahmen zu finden, dabei Wünschenswertes von Notwendigem zu unterscheiden und daraus - und dies unter den Bedingungen des ländlichen Raums - einen attraktiven ÖPNV zu gestalten,

Das bedeutete oft, dass einerseits Buslinien eingeführt wurden, andere jedoch wegen geringer Auslastung, sprich niedrigen Fahrgastzahlen, und des knappen Budgets wiederum eingestellt werden mussten. „Wir wollten ja keine heiße Luft mittels der Busse von A nach B transportieren, sondern effizient sein und einen attraktiven ÖPNV anbieten“, betont Buitkamp und: „Die Kriterien zu berücksichtigen, die einen attraktiven ÖPNV in einem Flächenlandkreis ausmachen, also beispielsweise eine enge Taktung des Busverkehrs, die Erreichbarkeit der einzelnen Orte in einer aus Sicht des Fahrgastes relativ kurzen Fahrtzeit, und dabei den finanziellen Aspekt nicht zu vergessen, waren wichtige Komponenten bei der Planung des Liniennetzes im Kreis, des Fahrplanes und letztlich bei der Führung der RTV als moderner Dienstleister im ÖPNV.“

Die Einführung des Rufbussystems im Kreisgebiet nennt Roland Buitkamp dann auch einen Meilenstein, um die „Mobilität im ländlichen Raum zu stärken“. Als eine ebenso wichtige Errungenschaft während seiner Tätigkeit für die RTV erachtet Roland Buitkamp den gemeinsamen Nahverkehrsplan mit Wiesbaden. Zudem erwähnt er als einen Fortschritt die Umrüstung der Busse im Rheingau 2014 auf elektronische Fahrscheindrucker. Nun komme auch das ITCS-System zum Einsatz, das für die Kunden von großer Bedeutung ist. Das System zeigt an, ob ein Bus fährt, ob er fahrplanmäßig verkehrt und es soll zukünftig die Anzeigetafeln an Haltestellen mit Infos füttern, wann ein Bus ankommt. „Wir können etwa bei Beschwerden von Fahrgästen schnell nachvollziehen, wann ein Bus zu welchem Zeitpunkt eine bestimmte Haltestelle im Kreisgebiet angefahren ist. Dadurch wird natürlich das Beschwerde-Management erleichtert, weil wir rasch erkennen, ob der Bus gefahren ist, ob er zu früh oder zu spät war, oder ob alles nach Fahrplan korrekt verlief“, berichtet Buitkamp.

Schließlich hat das Thema „Beschwerden“ manches Haar dem scheidenden Geschäftsführer gekostet: „Vor dem obligatorischen Fahrplanwechsel im Dezember wusste ich schon - egal wie gut wir als RTV und die den Auftrag übernehmenden Busunternehmen mit den Fahrern vorbereitet waren, dass es Aufruhr gibt.“ Er habe immer eine besondere innere Spannung rund um den 15. Dezember verspürt, obwohl er nach seiner lebensbedrohlichen Erkrankung 2011 sehr viel gelassener und besonnener geworden sei, wie er sagt.

Buitkamp: „Natürlich wusste ich, dass wir den Ärger von Fahrgästen auf uns ziehen, deren Linie wir aus Kostengründen oder wegen niedriger Fahrgastzahlen gestrichen haben. Ich konnte mich natürlich in diese Menschen hineinversetzen, die nun ihren Frust bei uns abluden.“ Als Familienvater habe es ihn geschmerzt, wenn Kinder an Haltestellen stehen gelassen wurden oder - wie geschehen - sie an falschen Stationen den Bus verlassen mussten. Solche Ereignisse seien nur zu vermeiden, wenn die RTV über eigene Busse und Fahrer verfüge, was momentan nicht der Fall ist. „So sind wir auf die Auftragsnehmer, die Busunternehmer angewiesen, und gegenüber diesen sind unsere Sanktionsmöglichkeiten eher eingeschränkt.“

Dann muss Roland Buitkamp aber doch noch lächeln. Er erinnert sich an einen Vorfall: „Die RTV erhielt von wartenden Fahrgästen den Hinweis, dass ein Bus ausgefallen ist. Es folgte die obligatorische Nachfrage beim zuständigen Busunternehmen verbunden mit dem zarten Hinweis, dass auch der Ersatzbus nicht gestellt wurde. Darauf lautet die Antwort des Unternehmers: Wir mussten kurzfristig einen Fahrer eingestellt, der den Ersatzbus fahren sollte. Im Bus stellte sich heraus, dass er zu kurze Beine hat, die nicht bis zu den Pedalen reichten. Lustig war die Ausrede wenigstens.“

Nach fast 45 Jahren im Dienst der Kreisverwaltung und der RTV hieß es am Freitag Abschied nehmen. In einer Feierstunde dankten Landrat Frank Kilian und ÖPNV-Dezernent Günter F. Döring Roland Buitkamp für seinen Einsatz in den vergangenen viereinhalb Jahrzehnten. Auch Mit-Geschäftsführer Thomas Brunke würdigte die Leistung des scheidenden Kollegen.