Wie können Pflege­eltern seelisch verletzten Kindern helfen

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Kleine Darstellung

Wochenend-Seminar des Kreis-Jugend­amtes für Pflege- und Adoptions­familien / Erfreu­liche Entwicklung: „Experten in eigener Sache“

Wochenend-Seminar des Kreis-Jugendamtes für Pflege- und Adoptionsfamilien / Erfreuliche Entwicklung: „Experten in eigener Sache“

Es ist eine schwierige, komplizierte, manchmal auch sehr nervenaufreibende Aufgabe. Oftmals birgt sie aber auch Freude und Zufriedenheit bei jenen, die sich dieser Aufgabe immer wieder und oft über Jahre stellen und dabei das anvertraute Kind heranwachsen sehen. Die Rede ist von Pflegeeltern, die Kinder und Jugendliche in ihrer Familie aufnehmen, weil diese aus einem für sie gefährdenden oder völlig überforderten familiären Umfeld herausgenommen werden müssen und dann in fürsorgliche Obhut gegeben werden, berichtet die Jugendhilfedezernentin des Kreises, Monika Merkert

Etwa 180 Kinder werden im Kreis derzeit als Pflegekinder in 111 Familien betreut. Das ist eine traurige Zahl, so Merkert. Sie besagt, dass deren Eltern nicht in der Lage sind, ihre Kinder selbst aufzuziehen. Es ist aber andererseits eine Zahl, die, so Merkert, Anlass zur Freude gibt. „Denn die Kinder, die in Pflegefamilien untergekommen sind, müssen nicht in Heimen betreut werden. Für uns ist ganz klar: Eine familiäre Einbindung von Kindern, die nicht bei ihren eigenen Eltern leben können, ist immer die beste Lösung“, berichtet die Jugendhilfedezernentin. „Kinder zu erziehen, das ist eine große Herausforderung, die mit der größten Verantwortung verbunden ist.

Um diese Aufgabe zu meistern, aktuelle Fragen und Problemstellungen zeitnah auch mit anderen Pflegeeltern ansprechen zu können, bietet der Pflegekinderdienst des Jugendamtes des Rheingau-Taunus-Kreises im Rahmen seiner Fortbildungsreihe für Pflege- und Adoptionsfamilien traditionell ein Wochenend-Seminar im Familienferiendorf in Hübingen an. In diesem Jahr stand das Thema „Umgang mit seelisch verletzten Kindern“ im Mittelpunkt, so Monika Merkert. An dem dreitägigen Seminar nahmen 150 Personen, darunter Pflegefamilien, Adoptivfamilien, Betreuer für die Kinder, sowie Interessierte, die ein Pflegekind aufnehmen möchten, teil. Durchgeführt und geleitet wurde das Seminar von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fachdienstes Pflegekinderdienst, Adoptionsvermittlungsstelle des Rheingau-Taunus-Kreis.

Zur Eröffnung der Fortbildungsveranstaltung richtete der stellvertretende Fachdienstleiter Erich Blaes, im Namen des Landrates Burkhard Albers, Gruß- und Dankesworte an die Pflegeeltern. Die eigentliche Seminararbeit fand am Samstag und am Sonntagvormittag statt. Die eingeladene Referentin Irmela Wiemann gilt nunmehr auch international seit mehr als 20 Jahren als Expertin in der Beratung, Therapie und Fortbildung von Pflegeeltern.

Neben theoretischen Informationen konnte sie anhand von Beispielen, die die Pflegeeltern aus ihrem Familienleben einbrachten, viel Verständnis für die durch ihre Lebensgeschichte nicht immer unbelasteten Pflegekinder wecken. Zudem wurden den dadurch geforderten Pflegeeltern Möglichkeiten eröffnet, mit diesen Situationen besser umzugehen. Die hohe Motivation der Pflegefamilien, als auch der Helfer, die während der Seminararbeit die Kinder betreuten, aber auch die hohe Kompetenz der Referentin führte zu einem sehr positiven Erlebnis für alle Beteiligten. „Wir haben viele neue Informationen erhalten“, so der einhellige Tenor der Teilnehmer.

Für die Mitarbeiter des Jugendamtes ist es eine besondere Freude, dass mittlerweile einige Betreuer der Kinder- und Jugendlichen früher selbst Pflegekinder waren und nunmehr als „Experten in eigener Sache“ bei diesem Seminar Pflegekinder und Jugendliche betreut haben.

Auch im nächsten Jahr wird es für die Pflege- und Adoptionseltern wieder ein Wochenendseminar geben. Dieses Mal wird Irmela Wiemann zum Themenkomplex „Biografiearbeit mit seelisch verletzten Kindern“ referieren. Dabei können die Pflegeeltern die Methode der Biografiearbeit kennenlernen. Laut Toni Bura vom Fachdienst ermöglicht diese Arbeit es, Kinder mit seelischen Verletzungen aufzufangen, um gemeinsam mit dem Kind aus seiner Lebensrückschau positive Impulse für die Gestaltung seiner Zukunft zu entwickeln.
 
Weitere Themenveranstaltungen, das beliebte Sommerfest und die anstehende Weihnachtsfeier bieten jedes Jahr für die Pflege- und Adoptivfamilien eine Gelegenheit zur Begegnung. Merkert: „Nicht nur für Pflegeeltern ist es wichtig, im Rahmen einer solchen Veranstaltung untereinander Kontakt zu knüpfen, sich gegenseitig auszutauschen und Freundschaften zu vertiefen. Auch für die Pflegekinder ist es wichtig, andere Kinder zu treffen, die in einer  ähnlichen Situation leben.“ Manchmal berichten Pflegeeltern mit einem leichten Augenzwinkern auch, dass sie nach 15 Jahren Wochenend-Seminar in Hübingen gerne einmal zu Hause geblieben wären, die Kinder es aber nicht zugelassen hätten.