„Wie gesund waren Pippi Lang­strumpf und Michel aus Lönneberga?“

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Jugendhilfe, Jugendförderung

Dritter Fachtag des Netzwerkes „Frühe Hilfen und Koopera­tion im Kinder­schutz“ mit Fachvor­trag von Hedi Friedrich / Verhalten von Kindern

Dritter Fachtag des Netzwerkes „Frühe Hilfen und Kooperation im Kinderschutz“ mit Fachvortrag von Hedi Friedrich / Verhalten von Kindern

„Die gemeinsame Verantwortung für Kinder kann nur erfolgreich sein, wenn die betroffenen Eltern und die Akteure, die den Schutz des Kindes fördern, vertrauensvoll zusammenarbeiten. Wir können bereits jetzt sagen, dass die Initiative Frühe Hilfen Wirkung zeigt und den Familien vor Ort hilfreiche Unterstützungsmöglichkeiten bietet.“ Daher lege sie besonderen Wert auf den weiteren Auf- und Ausbau der Frühen Hilfen, so  Schirmherrin und Jugendhilfedezernentin Monika Merkert anlässlich der Eröffnung des  3. Fachtages  „Frühe Hilfen“. Gleichzeitig leitete sie damit über zum Vortrag der Hauptreferentin Hedi Friedrich.

Die Abenteuer der beiden Kinderbuch-Helden Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga kennen viele Millionen Kinder auf dieser Welt fast auswendig. Doch wie wird das Verhalten von den beiden Romanfiguren, der immer frechen und etwas aufmüpfigen Pippi und dem Schabernack treibenden Michel eingeschätzt? Fiele die Diagnose heute nicht eindeutig aus, würden beide nicht als verhaltensauffällig eingestuft? Fragen, denen die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin sowie Fachbuchautorin Hedi Friedrich während des dritten Fachtages „Frühe Hilfen und Kooperation im Kinderschutz“ vor rund 75 Zuhörern aus dem Kreis in der Cafeteria des Kreishauses nachging. Schließlich werden nach aktuellen und verschiedenen Studien zwischen 20- und 25 Prozent aller Kindergartenkinder als verhaltensauffällig eingestuft.

Laut diesen Untersuchungen gibt es Kinder, bei denen schon in einem recht frühen Stadium ihres Lebens bestimmte Symptome, wie Essstörungen, soziale Phobien, Konzentrationsstörungen, Depressivität, Ängstlichkeit oder Aggressivität diagnostiziert werden. In ihrem Vortrag zeigte nun Hedi Friedrich Wege auf, wie belastete Kinder in ihrer Entwicklung gefördert werden können, „ohne diese durch aktuelle Diagnosetrends zu pathologisieren“; also die Verhaltensweisen, Empfindungen, Wahrnehmungen, sozialen Verhältnissen oder zwischenmenschlichen Beziehungen als krankhaft zu bezeichnen.

Doch wie sollen beispielsweise Eltern angemessen auf eine Entwicklung ihres Kindes reagieren? So mahnte die Referentin zur Vorsicht: „Beschreibung statt Diagnose: Vorsicht ist geboten vor vorschnellen Diagnosen. Mit einer genauen Beschreibung des Verhaltens wird es leichter möglich, gemeinsam zu überlegen, was neben der eigenen Wahrnehmung und Vermutung in dem Kind vorgehen mag, was der Grund für sein Verhalten sein kann.“ Solche Überlegungen helfen laut Hedi Friedrich, vorsichtig auf ein Kind zuzugehen, um herauszufinden, welche Unterstützung es braucht. Zudem wies sie darauf hin, dass „die Art und Weise, wie Kinder in ihren ersten Lebensjahren Beziehung erleben, ihr Bild von sich und der Welt wesentlich bestimmt und Grundlage für alle späteren Erfahrungen ist“.

Desweiteren ging die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin auf die Hochsensivität ein, die in Deutschland noch wenig beachtet wird. Dabei handelt es sich nicht um eine Störung, sondern um eine Wahrnehmungsbegabung. Diese hat bei nicht erkennen oftmals eine falsche Diagnose als Folge. In ihrem Schlusswort betonte Hedi Friedrich die Unterstützungsmöglichkeiten mit folgenden Schlagwörtern: „Begleiten und Anleiten, Neugier und Denken fördern, Anerkennen, Wertschätzen und Vorbild sein!“ Wie Lutz Büchner vom Netzwerk „Frühe Hilfen“ betonte, werden die Impulse, die die Referentin Hedi Friedrich setzen konnte, in den Foren des Netzwerkes „Aggressionen und aggressives Verhalten – Bewertung und Umgang in unterschiedlichen Kontexten“ und „Elterliche Präsenz stärken“ vertieft werden.

Infos zum Netzwerk „Frühe Hilfen und Kooperation im Kinderschutz“:
Mit dem Netzwerk „Frühe Hilfen“ sollen lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierten Hilfsangeboten für Eltern und Kinder, ab Beginn der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren mit einem Schwerpunkt auf der Altersgruppe der 0- bis 6-Jährigen, gebildet werden. Die Förderung erfolgt durch das Bundesministerium Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der Bundesinitiative Frühe Hilfen und Familienhebammen 2012-2017.


Weitere Informationen unter www.fruehehilfen.de.