„Wie fühlt man sich, wenn man angelogen wird?“

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Soziales

Partnerschaft für Demokratie im Rheingau-Taunus-Kreis: „people’s theater“ zeigt Schülern der Theißtalschule konstruktive Strategien zur Konfliktbewältigung

Partnerschaft für Demokratie im Rheingau-Taunus-Kreis: „people’s theater“ zeigt Schülern der Theißtalschule konstruktive Strategien zur Konfliktbewältigung

Was bedeutet Zusammenhalt? Warum ist es schlecht, zu lügen? Wie können wir andere dabei unterstützen, ihre Fehler einzugestehen? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler der Theißtalschule in Niedernhausen im Rahmen eines von der Partnerschaft für Demokratie im Rheingau-Taunus-Kreis geförderten, theaterpädagogischen Projekts mit dem „people’s theater“. Der „zukunftsorientierte soziale Verein“ aus Offenbach vermittelt konstruktive Konfliktbewältigungsstrategien und soziale Kompetenzen bei Jugendlichen und Kindern.

Die Szene des Ensembles ruft Erinnerungen an die eigene Schulzeit wach. Gestresst sitzt „Ralf“ an einem Tisch und versucht im Eiltempo, seine vergessenen Hausaufgaben vor Beginn der Schulstunde fertig zu stellen. Sein Freund „Carlos“ bekommt Wind von der Situation- und verrät ihn prompt an die gemeinsame Klassenlehrerin, „Frau Blume“. „Ralf“, der eigentlich Anis heißt und wie seine Mitstreiterinnen und Mitstreitern beim „people’s theater“ ein freiwilliges soziales Jahr absolviert ist enttäuscht- und den Gesichtern im Zuschauerraum nach zu urteilen, können die Schülerinnen und Schüler der Klasse 3b an der Theißtalschule in Niedernhausen das sehr gut nachvollziehen.

Im Rahmen des theaterpädagogischen Projektes sollen sie lernen, Konflikte gewaltfrei zu lösen und dabei unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen. Wie gut sie in der Lage sind, Situationen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, werden sie im Verlauf der Session mit dem „people’s theater“ noch unter Beweis stellen.

Die Szene wird fortgeführt. Nachdem die Klassenlehrerin den Raum verlassen hat, wirft Carlos einen Blick in das Klassenbuch und entdeckt dabei, dass Frau Blume ein Gespräch mit seinen Eltern führen möchte. Aus Angst vor Schwierigkeiten Zuhause reißt Carlos die entsprechende Seite kurzerhand aus dem Klassenbuch und beschwört seinen Freund Ralf, ihn nicht zu verraten. „Wir sind doch Freunde, wir müssen zusammenhalten!“ Dass Carlos dann auch noch den absolut unschuldigen Ali beschuldigt, das Klassenbuch beschädigt zu haben, macht Ralf sichtlich unglücklich. Dann ertönt ein Gong.

Lisa, die Moderatorin, unterbricht die Szene und diskutiert gemeinsam mit den Kindern das bisher Gesehene. „Stimmt es, dass man immer zusammenhalten muss?“, fragt sie. „Was ist denn richtiger Zusammenhalt?“ „Nein“, findet Alina (Name geändert), „weil die gelogen haben.“ „Genau“, pflichtet Alexander (Name geändert) bei, „und außerdem hatte Carlos Ralf davor ja auch schon wegen der Hausaufgaben verpetzt!“ „Was meint ihr denn, wie fühlt sich die Frau Blume?“, fragt Lisa. „Wie fühlt man sich, wenn man angelogen wird?“ „Nicht so gut!“, meint Ida, „weil das einen traurig macht!“

Dass es Carlos nach seiner Lüge sicher nicht gut gehen kann, darüber sind die Kinder sich einig. „Da geht es einem schlecht, das liegt einem auf der Seele und da kann man auch nicht schlafen“, ist sich Sarah (Name geändert) sicher. „Vielleicht tut ihm der Ali später auch leid, aber er hat Angst erwischt zu werden“, meint Katharina. Zwei Kinder merken an, dass man manchmal aber auch lügt, um andere Menschen nicht zu verletzen. Wenn man zum Beispiel sagt, ein Bild sei schön, obwohl man es eigentlich nicht so schön findet. Ralf scheint allen Kindern leid zu tun. „Ich glaube er fühlt sich wie so eingequetscht.“, meint Mona (Name geändert) Jan denkt, Ralf würde sich wünschen, dass er für seinen Freund nicht lügen müsste.

„Was könnte man da machen?“, fragt Lisa und die Kinder beginnen Ideen zu sammeln. Ralf soll seinen Freund überzeugen, die Wahrheit zu sagen. „Weil man dann keine Angst mehr haben muss, erwischt zu werden und weil man sich danach besser fühlt“, meint Marc (Name geändert). Wer eine Idee zum Umgang mit dem Problem hat, kann die „Bühne“ übernehmen, in die Rolle von Ralf oder Carlos schlüpfen und live ausprobieren, ob sie funktioniert. Beginn und Ende der jeweiligen Szenen markiert der Gong, den Lisa bedient. Ralf, der eigentlich Anis heißt, gibt seine Rolle an diesem Tag an insgesamt drei Schülerinnen und Schüler weiter. Gemeinsam überreden sie Carlos, Frau Blume die Wahrheit zu sagen und unterstützen ihn bei diesem wichtigen Schritt.

Abschließend rekapituliert die Gruppe, mit welchen Themen sie sich heute beschäftigt hat und welche Strategien zur Konfliktlösung gut funktioniert haben. Selbst als die Pausenklingel ertönt, beteiligen sich die Kinder weiterhin konzentriert und mit viel Engagement an der Diskussion. Abschließend werden auf ein Plakat, das eine Galaxie darstellt Planeten geklebt. „Ehrlichkeit“ steht auf einem Planeten, „Vertrauen“ und „Freundschaft“ heißen die anderen. Weitere Planeten sollen im Verlauf der nächsten Wochen hinzukommen, denn die Schülerinnen und Schüler der Theißtalschule werden sich in weiteren Sessions mit dem „people’s theater“ mit anderen Konflikten beschäftigen und überlegen, wie diese gelöst werden können.

Das theaterpädagogische Projekt wird in Kooperation mit dem „people’s theater“ mit den dritten und vierten Klassen der Theißtalschule in Niedernhausen durchgeführt. Das Projekt wird gefördert von der Partnerschaft für Demokratie im Rheingau-Taunus-Kreis im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und des Landesprogramms „Hessen für Demokratie und gegen Extremismus. Innerhalb der durch den Rheingau-Taunus-Kreis als federführendem Amt und der Koordinierungs- und Fachstelle der AWO Rheingau-Taunus Soziale Arbeit gGmbH organisierten Partnerschaft für Demokratie engagieren sich zahlreiche Akteurinnen und Akteure, Initiativen und Vereine aus unterschiedlichsten Bereichen im gesamten Kreisgebiet.