„Wer keine Aus­bildung hat, steht schnell auf der Straße“

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ProJob Rheingau-Taunus bietet Maßnahmen und Projekte an, um Langzeit­arbeitslose für den ersten Arbeits­markt zu qualifizieren

ProJob Rheingau-Taunus bietet Maßnahmen und Projekte an, um Langzeitarbeitslose für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren

Hans ist Mitte 40. Nach dem Abitur kam er bei einem Unternehmen im Medienbereich unter. Dann folgte der Wechsel in eine gute dotierte Stellung in einer Marketingabteilung einer Firma in Süddeutschland und wenige Jahre später ein lukratives Angebot von einem regionalen Privatsender, den er mit aufbauen sollte. Doch schon nach wenigen Monaten gab es Schwierigkeiten, die Kündigung folgte. Im Anschluss fand Hans keinen Job mehr. Zwölf Jahre war er arbeitslos. Denn immer wieder scheiterte Hans bei Bewerbungen an einer fehlenden Ausbildung. Maria ist 30 Jahre alt und alleinerziehende Mutter einer neunjährigen Tochter. Ihre Ausbildung hat sie wegen der Geburt des Kindes abgebrochen. Jetzt will sie wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen – doch die Hürden sind hoch. Sie bewirbt sich und Tage später „flattert“ ihr die Absage in die Wohnung.

„Nach den neuesten Zahlen gibt es zirka 2,5 Millionen Arbeitslose in Deutschland, was allgemein schon als Vollbeschäftigung gilt“, betont der Geschäftsführer der ProJob Rheingau-Taunus, Winfried Kühnl. Ein großer Anteil davon sind Langzeitarbeitslose, von denen wiederum viele eine Arbeit finden wollen, so Kühnl. Der Geschäftsführer weiß aber auch: „Wer keine Ausbildung hat, steht schnell auf der Straße und ist nur äußerst schwer in einen neuen Job zu vermitteln.“ Dabei gibt es einen Bedarf, wird über Fachkräftemangel geklagt, wirft ProJob-Bereichsleiter Qualifizierung Christoph Burgdorf ein und weist auf die Initiativen und Maßnahmen in der Abteilung „Projekte Arbeitsmarkt“ der kreiseigenen Gesellschaft hin.

Fachkräftemangel versus Langzeitarbeitslose: Ist das ein Widerspruch? Kühnl und Burgdorf sehen derzeit einen Widerspruch, der sich aber beheben ließe, wenn es neue Strukturen bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen gebe.

„In der ProJob Rheingau-Taunus haben wir ein Gesamtpaket an Maßnahmen geschnürt, das auf die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt zielt“, berichten Winfried Kühnl und Christoph Burgdorf. Die Gesellschaft bietet Ausbildungen und Umschulungen an. Sie nimmt aber auch in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen JobCenter des Rheingau-Taunus-Kreises Menschen in den Fokus, die mehr als zwei Jahre ohne Arbeit sind, die sogenannte SGB-II-Bezieher. Hemmnisse, die bei Langzeitarbeitslosen vorhanden sind, sollen beseitigt werden.

„Menschen, die seit Jahren arbeitslos sind, immer wieder Bewerbungen schreiben, auch einmal zu einem Gespräch eingeladen werden, dann aber wieder eine Absage erhalten und zwar schon die 100. oder 200., die sind verständlicher Weise frustriert, kapseln sich von Freunden und Familie ab, weil sie oft als Drückeberger bezeichnet werden. Solche Situationen zehren an der Psyche des Betroffenen“, wissen Astrid Lautenschläger-Voll und Michele Bargon-Glasner, die in der ProJob für die beiden Projekte „Bedarfsgemeinschaftscoaching“ und „Integrationscoaching“, die aus Finanzmitteln des Hessischen Sozialministeriums gefördert werden, zuständig sind. 60 Teilnehmer für die beiden Projekte – aufgeteilt auf die Standorte Taunusstein und Oestrich-Winkel – weisen die Fallmanager des JobCenters den insgesamt sechs Coaches zu.

„Wer zu uns kommt, der ist wirklich motiviert, der will einen Job, um endlich wieder zu arbeiten und seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren, der will raus aus diesem Teufelskreis der Arbeitslosigkeit“, erzählt Michele Bargon-Glasner und: „In Einzelgesprächen beleuchten wir die Situation unseres Gegenübers, forschen nach Vermittlungshemmnissen, die bei Langzeitarbeitslosen natürlich vorhanden sind.“ Mal fehlt eine Ausbildung, mal machte die Firma Pleite, mal haben Akademiker mit besten Abschlüssen nur unregelmäßig gearbeitet, mangelt es deshalb an der nötigen Berufserfahrung, mal wurden „Handlanger-Jobs“ in den Betrieben längst gestrichen, mal sind es Krankheiten oder körperliche Gebrechen, die eine Vermittlung erschweren, und mal fehlt einfach der Führerschein. „Ich hatte einen Klienten, der nie den Führerschein gemacht hat, jetzt einen neuen Job bekam, bei dem aber Schichtbeginn pünktlich um 6.00 Uhr morgens war. Um zur Arbeit zu kommen, musste er wegen der Entfernung den Bus nehmen. Mit dem hiesigen ÖPNV war das unmöglich, obwohl sich der Mann mit großer Energie eingebracht hat. Der Mann war niedergeschmettert, als ihm gekündigt wurde.“ Anschließend ging es um eine psychische Aufbauarbeit.

Burgdorf: „Es liegt nicht immer an den Klienten, dass sie keine Arbeitsstelle finden.“ Die Gründe sind vielschichtiger. „So bekam ein Mann eine Stelle bei einer Zeitarbeitsfirma, die ihn an einen Betrieb für mehrere Monate weitervermittelte. Nach vier Tagen wurde er gefeuert, ohne dass ein Grund angegeben wurde“, sagt Astrid Lautenschläger. Recherchen der Zeitarbeitsfirma wie der Coaching-Leiterin ergaben dann: „Der Mann hatte die vorgesehene Arbeit in den vier Tagen erledigt und wurde von dem Betrieb nicht mehr gebraucht. Das sorgt für Frust und Ärger.“ „Weil sich unsere Mitarbeiterinnen aus dem ‚Integrations-‘ und ‚Bedarfsgemeinschaftscoaching‘ gemeinsam mit den Klienten wirklich bemühen“, so Kühnl. Beim „Integrationscoaching“ liegt die Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt beispielsweise bei über 25 Prozent; weitere 50 Prozent der Teilnehmer erhielten Mini-Jobs oder haben eine Ausbildung gewählt.

Winfried Kühnl ist sich deshalb auch sicher, dass „in der Betreuung und bei der Qualifizierung und der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt neue Wege gegangen werden müssen“. Das beginne bei der Förderung durch den Bund und das Land, die ihre Maßnahmen den Gegebenheiten anpassen sollen. Das heißt: Geförderte Projekte, die nur eine Kurzzeit-Qualifizierung zum Inhalt haben, um Langzeitarbeitslose aus der Statistik zu bekommen, machen in der heutigen Zeit und bei den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarktes keinen Sinn mehr“, so der ProJob-Geschäftsführer und: „Es geht um eine exakte Ausbildung für zukunftsträchtige, hochspezialisierte Berufe.“

Gemeinsam mit den Wirtschaftskammern und den Unternehmen im Kreis sollten die notwendigen Daten erhoben werden, „welche Berufsfelder wir in den kommenden 10, 15 Jahren vor Ort benötigen.“ „Dann können wir als ProJob punktgenau, zielorientiert, ausgewählte Langzeitarbeitslose ausbilden und für den ersten Arbeitsmarkt fit machen“, schlägt der ProJob-Geschäftsführer Winfried Kühnl vor: „Davon können dann wirklich alle Beteiligten, Unternehmen wie Langzeitarbeitslose, profitieren.“