Wenn sich der Bürger­meister den Anzug über­streift …

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Altenpflege, Altenhilfe

Landrat Albers: Demo­grafie-Dialoge werden am 4. Septem­ber mit der Matinee „Leben und Wohnen“ im Linden-Theater in Geisen­heim fortgesetzt

Landrat Albers: Demografie-Dialoge werden am 4. September mit der Matinee „Leben und Wohnen“ im Linden-Theater in Geisenheim fortgesetzt / Das kleine Wunder „AleX“

Wenn sich der Bürgermeister den Anzug überstreift, geschieht schier Ungewöhnliches, ja Merkwürdiges mit ihm. In Bruchteilen von Minuten scheint der eben noch vitale Mann im besten Alter deutlich an Jahren zuzunehmen. Schritt er eben noch mit aufrechten, straffen Körperhaltung auf die Bühne umher, so lässt er wenig später schon die Schultern kraftlos hängen, wirkt so, als müsse er sich genau konzentrieren, um sich im Halbdunkel überhaupt orientieren zu können. Hinter „AleX“, dem Anzug, verbirgt sich eine „Alters-Simulationserfahrung“ der besonderen Art: „Wer den Anzug anzieht, erlebt schnell, was es heißt, ‚Senior auf Zeit‘ zu sein“.

Vorgestellt wird das „Abenteuer Altersexperiment AleX“ im Rahmen der Fortsetzung des Demografie-Dialogs „Leben und Wohnen“ am Sonntag, 4. September 2016, um 11.00 Uhr, im Kino Linden-Theater in der Winkeler Straße 54 in Geisenheim; eine Kooperationsveranstaltung des Kreises mit dem Netzwerk Wohnen und der mobilen Fachstelle Inklusion. Desweiteren wird der Film über das Theaterstück der Taunusbühne Bad Schwalbach „Alter-nativ Wohnen – Ich will bleiben, wo ich bin“ erstmals gezeigt. In dem Stück, das von Martin Fromme und Jürgen Aurand geschrieben wurde, geht es um eine „chaotische Rentner-WG“, die ihre Wohnung altersgerecht und barrierefrei umbauen lassen will. „Ziel des Demografie-Dialogs ist es, die Bevölkerung für gesellschaftliche und individuelle Barrieren zu sensibilisieren; diese zu erkennen und gemeinsam zu verringern und damit Ausgrenzung zu vermeiden“, betont Landrat Burkhard Albers.

„Natürlich beschäftigt sich niemand gerne mit den Folgen des Alters; vor allem wenn er oder sie noch jung sind“, sagt Elke-Jörg-Pieper von der Sozialen Altenhilfeplanung der Kreisverwaltung. Doch Alter heißt nicht unbedingt krank werden oder im Rollstuhl sitzen. Aber beispielsweise lasse die allgemeine Beweglichkeit nach und es gibt Einschränkungen. Über die Folgen wollen nur wenige offen reden, das Thema schieben vielen gerne vor sich hin. Doch im Alter fällt es dann schwer, die Treppe in die erste Etage zu bewältigen, die Badewanne zu besteigen, den Übergang zur Terrasse zu meistern. „Dann geht es um einen Umbau oder Wohnungswechsel“, so Elke Jörg-Pieper. Niemand ist zudem vor einem Unfall gefeit. „Plötzlich sitzt man im Rollstuhl und benötigt Unterstützung.“ Vor Ort wird deshalb auch das Netzwerk Wohnen sein, um das Angebot vorzustellen.

„Wir wollen diese Themen ganz sensibel während der Veranstaltung ansprechen und auch Lösungen vorschlagen. Denn körperliche Einschränkungen im Lebensablauf können jeden treffen und nicht erst im Alter; Senioren ebenso wie Menschen mit geistiger oder körperlichen Behinderung“, so Albers. Wie mit solchen Einschränkungen und daraus folgenden Konsequenzen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für alle Menschen – ob mit oder ohne Behinderung – möglich ist, zeigen die Organisatoren während der Matinee.

So berichtet Günter Soukup über die vielen Barrieren im täglichen Leben für Menschen mit Behinderung. Wie findet er sich in einer Welt zu Recht, die vor allem für Gesunde konzipiert wurde? Wo stößt beispielsweise ein Rollstuhlfahrer auf (fast schon) unüberwindbare Hindernisse, benötigt er die Hilfe seiner Mitbürger, um etwa zu einem Saal oder einen Platz in einem Kino zu kommen? Denn „Barrieren“ gibt es viele. Und dabei kommt dann auch „AleX“ zum Zuge. Damit können Krankheitsbilder simuliert werden, wird ein Prozess „des Alterns im Ganzen in Gang gesetzt“. „Plötzlich fehlt es an der Feinmotorik, gibt es Gesichtsfeldeinschränkungen“, so Elke Jörg-Pieper. Eine Person erlebt während der Matinee am 4. September am eigenen Leib das Altersexperiment, verrät sie: „Er wird die gemachten Erfahrungen an uns weitergeben.“