„Unser Social Media ist die Babbelbank“

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Demografischer Wandel

Landrat Frank Kilian verleiht den Demografie-Preis 2022 des Rheingau-Taunus-Kreises / „Orte nehmen sich selbst in die Hand“ / Fünf Preisträger

Wer in Aarbergen-Michelbach Informationen über das dörfliche Leben erhalten will, der braucht dort weder Twitter noch Facebook. „Unser Social Media ist die Babbelbank!“, ruft ein Mitglied vom „Michelbach Aktiv“, als nach der Intention von Sitzgelegenheiten gefragt wird, die von der Gruppe in der Ortschaft aufgestellt wurden. Diese dienen als Begegnungsstätte: „Ziel der ‚Bankgespräche‘ ist es, Bürgerinnen und Bürger des Ortsteils zu motivieren, sich dieser Sitzgelegenheiten anzunehmen und dort die Kommunikation mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern bei Kaffee und Kuchen zu suchen.“ Das „freie Gesprächsangebot“, so Aarbergens Bürgermeister Matthias Rudolf, nehmen mittlerweile immer mehr Bürgerinnen und Bürger wahr. Jeder kann zu den Terminen der Bankgespräche, wie den weiteren Veranstaltungen, dazu kommen. Matthias Rudolf: „Die Mitglieder von ‘Michelbach Aktiv‘ pflegen das Miteinander im Ort, führen die Menschen aus dem Aarbergener Ortsteil mit dem klangvollen Spitznamen ‚sibbe Sorte Leut‘‘ zusammen und ermöglichen einen regen Austausch zwischen den Generationen und den einzelnen Kulturen!“

Für dieses eindrucksvolle Engagement verbunden mit dem Einsatz für die Gemeinschaft wurde die Gruppe „Michelbach Aktiv“ von Landrat Frank Kilian mit dem Demografie-Preis 2022 des Rheingau-Taunus-Kreises ausgezeichnet, der in diesem Jahr in der Kategorie „Besondere Orte – Treffpunkte für Generationen und Kulturen“ ausgeschrieben war. „Wir wollen die aktive Zivilgesellschaft in unseren vielen Dörfern im Kreis. Es ist von enormer Bedeutung, dass Menschen für ihre Nachbarn da sind, dass Verbindungen und Kontakte untereinander hergestellt werden, um einer Anonymität keine Chance zu lassen“, betonte Landrat Kilian. Oder wie es die Bürgermeister von Lorch und Waldems, Ivo Reßler und Markus Hies formulierten: „Der Ort nimmt sich selbst in die Hand!“ Soll heißen: Bürgerinnen und Bürger überlegen, mit welchen Projekten sie das Dorfleben um weitere attraktive Begegnungsstätten erweitern können. „Das Gemeinschaftsleben litt während der Corona-Pandemie. Umso stärker ist nun der Wunsch nach Gemeinschaft, nach einem intensiven Miteinander“, formulierte eine Preisträgerin.

Schließlich wurde nicht nur „Michelbach Aktiv“ für ihr Engagement ausgezeichnet. Den zweiten Preis erhielt die Agenda-21-Gruppe „Geschichte sichtbar machen“ aus Taunusstein. Sie macht nach den Worten von Laudator, Taunussteins Bürgermeister Sandro Zehner, „historische Spuren sichtbar“ und somit „Geschichte greifbar“ für Neubürger wie „manchen Eingeborenen“. Wichtige geschichtliche Gebäude im Stadtbild stattet die Gruppe mit Plaketten und Stelen aus, die über die Bedeutung des historischen Gebäudes Auskunft geben. So wird ein Bezug zur Stadtgeschichte von Taunusstein und Verbindungen hergestellt.

Der zweigeteilte dritte Platz ging an das Deutsche Rote Kreuz, Ortsgruppe Espenschied, und das Orgateam des Generationentreffs Burg Hohenstein. Seit 1967 engagiert sich das Espenschieder DRK laut Ivo Reßler für die Menschen „im westlichsten Punkt des Rheingau-Taunus-Kreises“. Ob Seniorenbetreuung, Essen auf Rädern oder Betreuung von Flüchtlingen – auf die ehrenamtlichen Rotkreuzler ist stets Verlass. „Sie bringen die Menschen des Ortsteils zusammen, sind mit viel Herzblut für den Nächsten da, ohne auf das eigene Ich zu schauen“, betonte der Lorcher Bürgermeister in seiner Lobrede auf das Engagement der Espenschieder.

Gleich in Doppelfunktion war Helga Becker nach Michelbach gekommen. Als Hohensteiner Beigeordnete vertrat sie Bürgermeister Daniel Bauer und konnte so die Laudatio auf den von ihr 2014 selbst gegründeten Generationentreff Burg Hohenstein halten. Der Treff ist beliebt im Ort, wie der Weihnachts-Waffel-Tag – von dem das Orgateam rasch nach Aarbergen geeilt war – zeigte. „Wir saßen alle wieder mit glänzenden Augen zusammen und freuten uns, dass endlich wieder in Gemeinschaft gefeiert werden kann“, so Helga Becker. Im Sommer organisierte das Team den ersten Burg-Hohensteiner-Weinstand: „Dieser Abend war ein riesengroßer Erfolg, der Zuspruch aus der Bevölkerung grandios!“

Nachdem der westlichste Punkt des Kreises mit Espenschied einen Preis erhielt, wurde auch ein besonderes Projekt aus dem östlichsten Teil –Waldems-Reichenbach – mit einem Sonderpreis gewürdigt. Es bedürfe manchmal nur einer Idee und dem Mut zur Umsetzung, um Außergewöhnliches zu erreichen, meinte der Waldemser Bürgermeister Markus Hies in seiner Lobrede. Dort stellte man während der Pandemie 2021 nüchtern fest: „Wir müssen das Dorf wieder beleben! Wir möchten Jung und Alt gemeinsam an Tischen sitzen, lachen und tanzen sehen, sich Geschichten von früher und heute erzählen lassen.“ Die Idee war geboren, heraus kam das Reichenbacher Erzählcafé.  Es entstand eine kleine private Veranstaltungsreiche im 500-Seelen-Ort, „vom Dorf fürs Dorf“.

Es folgte ein Mini-Weihnachtsmarkt, ein kleines Weinfest mit Live-Musik, ein Bayerischer Abend. „Das Team bringt Leben ins Dorf. Das hat Perspektive“, fasst der Bürgermeister zusammen. „Die prämierten Projekte sind zur Nachahmung empfohlen. Wir können voneinander lernen und profitieren und dadurch auch neue Verbindungen knüpfen“, sagt Frank Kilian dazu. Und die Prämierung sorgt für neue Kontakte und Verbindungen. Die baute Lorchs Bürgermeister Ivo Reßler gleich einmal zum Team aus Reichenbach auf. Vielleicht könnte zukünftig am dortigen Weinstand Lorcher Rebensaft ausgeschenkt werden; frei nach dem Motto „Der Westen des Kreises trifft den Osten des Kreises“.

Und abschließend gibt es noch einen Leckerbissen und Augenschmaus: Der Bäckermeister Andreas Siefer von „Michelbach Aktiv“ hat mit Lebkuchen, Keksen und Zuckerguss besondere Gebäude des Ortes nachgestellt und überreicht dieses Geschenk dem Team.

Foto:
Die Träger des Demografie-Preises 2022 des Rheingau-Taunus-Kreises versammeln sich um die Lebkuchen-Landschaft von Andreas Siefer.
 

Hier sehen Sie die Preisträger, denen Landrat Frank Kilian den Demografie-Preis 2022 des Rheingau-Taunus-Kreises verliehen hat.

Preisträger des Demografiepreises 2022