Mit 61 Jah­ren fand Karl B. einen neuen Job

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Pro­jekt „Per­spektive 50Plus“: Auf­geben gilt nicht / Flexibel sein und mit fach­lichen Kennt­nissen und Arbeitsproben punkten / Teil 3 der Reihe

Projekt „Perspektive 50Plus“: Aufgeben gilt nicht / Flexibel sein und mit fachlichen Kenntnissen und Arbeitsproben punkten / Teil 3

„In dem Bewerbungsgespräch ging es äußerst fair zu. Priorität hatte die Frage nach meinem Alter nicht. Es ging um meine fachlichen Kenntnisse“, erzählt Karl B. von seinem Vorstellungstermin im Februar 2014. Der 61-Jährige wusste, dass er das in der Stellenanzeige geforderte Profil der Messebau-Firma aus Südhessen nicht ganz erfüllte. „Ich kann kein Englisch, wie gefordert, kenne aber die Fachbegriffe in englischer Sprache.“ Und er präsentierte viele Arbeitsproben von Messeständen, die er gestaltet hatte, bevor er arbeitslos wurde. Die Qualität der Arbeiten, sein Wissen und Knowhow sowie das Auftreten von Karl B. gaben abschließend den Ausschlag für eine positive Entscheidung und einen zunächst zeitlich befristeten Arbeitsvertrag in der Messebau-Firma.

Karl B. hat Tischler gelernt, die Gesellen- und Meisterprüfung erfolgreich abgelegt. Wenig später  übernimmt er den Handwerksbetrieb des Vaters. Nachdem Arthrose in seinem Knie diagnostiziert wurde, muss er den Beruf aufgeben, schult zum Bauzeichner um und erhält den Gesellenbrief. Einen Job zu finden, ist kein Problem. In einer Messebau-Firma aus dem Raum Frankfurt ist er 16 Jahre tätig … bis die Firma Insolvenz anmeldet. Die älteren Mitarbeiter müssen alle gehen. Nicht verstehen kann Karl B., dass der Betrieb heute noch besteht. Er ist aber arbeitslos – mit 58 Jahren. „Dabei dachte ich, dass ich bis zu meinem Renteneintritt dort bleiben kann.“ Denn Klagen über die Qualität der Arbeit gab es zu keinem Zeitpunkt.

Der 61-Jährige: „Natürlich waren meine Kollegen und ich von der Entwicklung geschockt. Ich konnte es mir gar nicht vorstellen, nicht mehr zur Arbeit zu gehen.“ Sein erster Gedanke: „Ich muss nun meine Kontakte nutzen – da finde ich schnell wieder eine Stelle.“ Es folgte eine bittere Erkenntnis. Verlangt wurden vor allem moderne Design-Kenntnisse und junge Leute waren gefragt. „Je mehr Absagen ich bekam, umso deprimierter wurden ich und meine Ehefrau. Es war erschreckend, weil man sich nutzlos und vor allem aussortiert fühlt.“ Um die Chancen auf einen neue Tätigkeit zu erhöhen, bewarb sich der heute 61-Jährige auch bei Schreinereien, für Büroarbeiten und sogar als Auslieferungsfahrer – doch ohne Erfolg. Auch in dieser Phase resignierter Karl B. nicht: „Du musst da durch, habe ich mir gesagt. Du darfst auf keinen Fall aufgeben. Ich will keinesfalls arbeitslos bleiben.“

„Doch wenn sie ständig Absagen bekommen, macht sie das auf Dauer mürbe, sie resignieren innerlich immer mehr“, sagt er. In dieser Phase erhält Karl B. Kontakt mit dem Projekt „Perspektive 50Plus“. Edith Wehmeyer vom Projekt „50Plus“ erinnert sich an „ein sehr deprimiertes Ehepaar, das beim ersten Gespräch vor mir saß“. Diese Stimmung habe sich aber schnell geändert. Edith Wehmeyer: „Wir haben eine Bestandsaufnahme vorgenommen, um die Qualifikationen festzustellen, aber natürlich auch Defizite, bei denen es anzusetzen galt.“ Es gilt viele kleine Puzzleteile zusammenzufügen, damit ein Bild der Person, aber auch eines des bisherigen Berufswegen entsteht und die Mitarbeiterinnen von „50 Plus“ wissen, wo genau anzusetzen ist. Der Weg führte Karl B. dann in die JobAcademy, wo seine Bewerbungsunterlagen neu gestaltet wurden.

Schnell folgte ein erstes Bewerbungsgespräch, das aber an einem speziellen CAD-Programm scheiterte. „Obwohl ich seit meiner Jugend mit Computern arbeite und auch die Kenntnis von solchen CAD-Computerprogrammen vorweisen kann, hatte ich mit dieser speziellen Weiterentwicklung noch nicht gearbeitet.“ Karl B. ließ sich nicht entmutigen. „Die Hilfe des Projektes und der JobAcademy waren von großer Bedeutung für mich.“ Dann fand er die Stellenanzeige der Messebau-Firma in der Nähe von Offenbach und bewarb sich. „Da passte vom ersten Moment an die Chemie“, erinnert er sich an das Gespräch mit „Chef und Chefin“. Und dann ging alles ganz schnell. Knapp zwei Wochen später saß er schon an seinem neuen Arbeitsplatz. Karl B.: „Ich war erleichtert und zufrieden.“

„Natürlich muss man sich in solchen Gesprächen flexibel zeigen; etwa bei den Gehaltsvorstellungen“, sagt der 61-Jährige. Dass er wegen seines Alters ungerecht behandelt wurde, weist er strikt zurück. „Chefin und Chef waren sehr, sehr fair, meine Erwartungen wurden erfüllt. Das Betriebsklima ist sehr gut. Meine jetzige Stelle ist befristet, weil sich die eigentliche ‚Inhaberin‘ derzeit in Mutterschutz befindet“, erzählt Karl B. weiter. Aber er habe nun Zeit, sich zu profilieren, zu zeigen, was er kann. Seine Zufriedenheit ist ihm anzusehen, wenn er von seiner Arbeit erzählt, „denn Messebau ist viel mehr wie nur einen Stand in einer Halle aufzubauen“. Dazu gehören Kreativität und ein durchdachtes Konzept bei der Planung eines Messestandes. Diese Faktoren sind ebenso gefragt wie Genauigkeit, Flexibilität, Zuverlässigkeit und termingerechte Abwicklung.

„Zu unseren Kunden gehört unter anderem ein großer Arzneikonzern, für den wir bei Veranstaltungen, Messeauftritten und geschäftlichen Versammlungen die Gestaltung des Interieur der Veranstaltungsorte übernehmen. Etwa für die Jahreshauptversammlung planen wir die komplette Raumausstattung, die Gestaltung der Bühne.“ Denn ein Messestand, eine Großveranstaltung ist die Visitenkarte eines Unternehmens. „Mir macht diese Arbeit großen Spaß und ich bin zufrieden, dass ich wieder eine berufliche Herausforderung habe, dass ich gebraucht werde“, betont der 61-Jährige nach „der Durststrecke“ sichtlich zufrieden: „Es geht wieder bergauf!“