„Ich wollte den Schwachen in unserer Gesell­schaft helfen“

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Helmut Murr ist für die Schuldner­beratung des Kreises bei der ProJob Rheingau-Taunus GmbH ehrenamtlich tätig / „Die meisten Hilfesuchenden geraten aus Sorg­losigkeit oder Unwissenheit in die Schuldenfalle"

 

Helmut Murr ist für die Schuldnerberatung des Kreises bei der ProJob Rheingau-Taunus GmbH ehrenamtlich tätig / „Die meisten Hilfesuchenden geraten aus Sorglosigkeit oder Unwissenheit in die Schuldenfalle"

Fast 40 Jahre lang arbeitete Helmut Murr für ein großes Geldinstitut in Deutschland. Vor etwa sieben Jahren entschied er sich, in Altersteilzeit zu gehen und sich für die gewonnene Freizeit eine neue Betätigung zu suchen, die ihn ausfüllt. „Ich wollte noch etwas Nützliches für das Gemeinwohl tun“, begründet Helmut Murr seinen damaligen Schritt. Heute ist er ehrenamtlich für die Schuldnerberatung des Rheingau-Taunus-Kreis tätig, berät jene, die einen Berg an Verbindlichkeiten aufgehäuft haben und nicht mehr wissen, wie sie ihre finanziellen Angelegenheiten alleine regeln können. „Viele kennen sich mit der Materie nicht aus, überblicken nicht die Gesetzeslage und kennen vor allem ihre Rechte und Möglichkeiten für eine möglichst umfassende Schuldenbefreiung nicht“, so Murr.

Murr ließ sich zunächst von der Caritas in Frankfurt zum Schuldnerberater ausbilden, absolvierte dort zahlreiche Fortbildungen. 2015 folgte dann der Wechsel nach Taunusstein zur Schuldnerberatung von Kreis und ProJob Rheingau-Taunus GmbH. „Ich kann somit mein Wissen aus meiner früheren Tätigkeit nutzen, um nun Menschen zu helfen, die in eine persönliche Zwangslage geraten sind“, berichtet er. Wie schnell so etwas gehen kann, weiß Murr nur zu genau. „Im Alltag und durch die allgegenwärtige Werbung ist der Einzelne ständigen Verlockungen ausgesetzt. Es muss das neueste und natürlich teuerste Handy sein. Man benötigt die exklusivsten Markenklamotten, denn sonst werden unsere Kinder ‚gemobbt‘ und auch ein prestigeträchtiges Auto ist für das persönliche Image und Renommee wichtig. Doch nur wenige wissen, wie sie diese Käufe finanzieren sollen.“

Wenn dann das Konto gesperrt ist, die Mahnungen sich stapeln, wachen viele auf und wenden sich an die Schuldnerberatung. Die wird vom Kreis finanziert und ihr Angebot ist kostenlos.

Die Frage, wie teure Anschaffungen bei dem zur Verfügung stehenden Budget zu finanzieren sind, beantworteten sich nur die wenigsten, noch viel weniger stellen einen Finanzplan auf. „Zumal es Kredite von bestimmten Bank ja auch ohne große Anstrengungen und natürlich ohne einen seriösen Finanzplan gibt.“ Das Desaster sei dann oft schon programmiert. Murr: „Ich bin auch noch zeitweise für den Fluchtpunkt Niedernhausen tätig und sehe viele Flüchtlinge, die in den Teufelskreis Schuldenfalle tappen.“ „Verkäufer bieten Flüchtlingen, die kaum oder überhaupt kein Deutsch sprechen, Handy-Verträge für 50 Euro im Monat an“, erzählt Murr aus eigener Erfahrung. „Ohne zu verstehen, was sie da unterschreiben und wie sie eigentlich das Geld aufbringen sollen, um die anfallenden Rechnungen zu bezahlen.“

„Das schreckliche Erwachen passiert, wenn sie die erste Rate nicht bezahlen können, wenn die erste Mahnung kommt, die sie alleine – ohne Deutsch-Kenntnisse – gar nicht verstehen können und oft ignorieren.“ Dann geht die Spirale los, die bis zum Schufa-Eintrag führen kann. „Die Chance auf eine Integration, auf eine Zukunft in Deutschland, ist zu diesem Zeitpunkt für den Flüchtling schon verspielt.“ Schließlich hat ein Schufa-Eintrag schwerwiegende Folgen; etwa bei der Wohnungssuche. Um solch einen „Lebenslauf“ zu verhindern, bieten Murr, seine Kolleginnen und Kollegen in der sozialen Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle sowie ein weiterer ehrenamtlicher Berater ihre Hilfe unter anderem in der Unterkunft in Niedernhausen an. „Wir reden über die Risiken und klären auf.“ Sie arbeiten dabei auch mit den „Finanzpaten“ in Idstein zusammen.

Helmut Murr wird auch weiterhin helfen, weil für ihn feststeht: „Die meisten geraten blauäugig in die Problemzone und brauchen kompetente Beratung, um aus der ‚Verschuldung‘ wieder herauszufinden.“ Diese Menschen sollen möglichst ihre wirtschaftliche Selbständigkeit wiedererlangen.

Helmut Murr im Beratungsgespräch, um einer Klientin bei der Entschuldung zu helfen.