„Ich fühle mich natür­lich in erster Linie für mich selbst verant­wortlich“

|

Jobcenter

„Per­spektive 50Plus“: „Über 50“ und arbeits­los – was nun? / Nicht mehr zu vermit­teln? / Wieder in den Beruf „zurück­gekämpft“ / Teil 2 der Reihe

„Perspektive 50Plus“: „Über 50“ und arbeitslos – was nun? / Nicht mehr zu vermitteln? / Wieder in den Beruf „zurückgekämpft“ / Teil 2

„Ich fühle mich natürlich in erster Linie für mich selbst verantwortlich“, sagt Martin E. und beschreibt damit seine Mentalität und auch seinen Antrieb. Andere für seine Situation verantwortlich zu machen, dass „ist nicht mein Ding“. So charakterisiert ihn auch Edith Wehmeyer vom Projekt „Perspektive 50Plus“ als „Stehaufmann“, jemand der kämpft, auch wenn es nicht so gut läuft. „Arbeitslos zu werden oder das gar länger zu sein – das wollte ich nie“, ergänzt der 51-Jährige. Und dann passierte es doch. Vor mehr als einem Jahr trafen bei dem Einzelhandelskaufmann zwei „Krisen“ aufeinander: eine persönlich-private und eine geschäftliche. „Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben“, sagt er im Rückblick.

Martin E. wurde arbeitslos, musste sein Gewerbe in der Hifi-Branche abmelden. Zudem gab es private Probleme. Viele fallen dann in ein tiefes Loch. „Über viele Jahrzehnte war Herr E. in der Hifi-Branche als Selbstständiger tätig, vertrieb er Lautsprecher“, erzählt Edith Wehmeyer. Nachdem die persönliche Krise bewältigt war, kam Martin E. im Mai 2013 ins Projekt „Perspektive 50Plus“. Dort fanden intensive Gespräche zwischen Edith Wehmeyer und dem 51-Jährigen statt. Dank externer Hilfe stabilisierte sich der Zustand von Martin E. immer mehr, so dass „wir über die beruflichen Perspektiven von Herrn E. sprechen konnten“. „Wo sieht der 51-Jährige seine berufliche Zukunft?“, war eine der wichtigen Fragen, die zu klären war. Im Bereich der Hifi-Branche oder gibt es Alternativen? Wie ist eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt wieder möglich, war eine andere Frage.

Edith Wehmeyer: „Eines fiel gleich ins Auge, was aber wiederum nicht weiter verwunderlich ist und bei vielen unserer Klienten passiert:“ Die Bewerbungsunterlagen mussten auf die aktuellen Anforderungen angepasst werden. „Ich hatte ja seit über 30 Jahren keine Bewerbung mehr geschrieben“, wirft Martin E. ein. Es sind meist die kleinen Dinge, die ganz entscheidend sein können. Der 51-Jährige: „Auf diese Details hingewiesen zu werden, war für mich in Ordnung und hat mir geholfen.“ Zudem wurde er in die JobAcademy geschickt, wo es auch Bewerbungscoachings gibt, Workshops zu den Themen EDV, Stilberatung oder Zeitmanagement angeboten werden. Dort wurde er von qualifizierten und praxiserfahrenen Fachkräften individuell betreut. „So kam wieder Struktur in mein Leben und ich hatte Ansprechpartner, mit denen ich über meine Suche nach einer Arbeitsstelle sprechen konnte.“ Diese Unterstützung empfand er als hilfreich.

In der JobAcademy gibt es PC-Arbeitsplätze mit Interzugang, um eigenständig nach Stellenangeboten zu suchen. „Jeder kann und muss sich selbst bei der Suche einbringen, Initiative zeigen“, berichtet Edith Wehmeyer. Diese Eigeninitiative ist aber nicht jedermanns Sache. Während andere dieses Angebot ohne großes Interesse nutzen, ging Martin E. seine Recherchen „sehr selbstdiszipliniert und konsequent an“. Der 51-Jährige: „Es war meine ganz persönliche Entscheidung, dass ich in meinem Leben etwas verändern will, dass ich wieder arbeiten will und nicht in der sozialen Hängematte liegen möchte.“ Er durchforstete die Stellenangebote aus dem Hifi-Bereich zielorientiert und wurde schnell fündig.

Es folgte das erste Bewerbungsgespräch im Norden Deutschlands, zehn Tage später das zweite und kurze Zeit später die Zusage. „Natürlich war ich richtig aufgeregt, als ich in die Hansestadt fuhr. Aber ich wollte auch unbedingt den Job.“ Dass er gegen einen jüngeren Bewerber vielleicht keine Chance haben werde, „die Frage beschäftigte mich“. „Aber ich wusste auch, dass ich etwas anderes in die Waagschale werfen kann: meine Berufserfahrung, meine Kenntnisse über das Produkt Lautsprecher, mein aktuelles Wissen“. Dann kam die Zusage. „Es war eine Erleichterung. Es blieb aber eine gewisse Anspannung, die sich erst nach dem ersten Arbeitstag legte.“

Seit 1. Juni hat Martin E. wieder einen Job und blickt mit gemischten Gefühlen zurück. „Natürlich war die Zeit der Arbeitslosigkeit wegen der Ungewissheit, wie es beruflich weitergeht, schlimm.“ Bevor er zum Projekt „Perspektive 50Plus“ und später in die JobAcademy kam, hörte er viele Gerüchte und Vorurteile. „Bringt alles nichts.“ Martin E. kann nun von seinen Erfahrungen berichten. „Wer in unserer Gesellschaft über 50 Jahre alt ist und arbeitslos wird, der fühlt sich demontiert, nicht mehr gebraucht. Derjenige benötigt dann die Hilfe des Projektes 50Plus, um aus dem tiefen Loch wieder herauszukommen.“ Das hat Martin E. geschafft. Sein Beruf fordert ihn und macht ihm sichtlich Freude.