„Es soll keine Glocke über die Region gestülpt werden“

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Umwelt

Auftaktveranstaltung für die Machbarkeits­studie „Biosphären­region“ im Kreishaus / Landrat Kilian betont: „Ergebnis­offener Prozess“

Auftaktveranstaltung für die Machbarkeitsstudie „Biosphärenregion“ im Kreishaus / Landrat Kilian betont: „Ergebnisoffener Prozess“

„Es wird keine Glocke über die Region gestülpt, die jede Art von Entwicklung verhindert“, betont Frauke Druckrey, Mitglied im Deutschen UNESCO-Komitee. Zudem weist Landrat Frank Kilian in seiner Rede während der Auftaktveranstaltung für die Erstellung der Machbarkeitsstudie „Biosphärenregion“ darauf hin: „Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit – das sind die drei Pfeiler für den anstehenden Prozess, die für mich oberste Priorität genießen. Ein Projekt dieser Dimension kann nur dann gelingen, wenn wir die Unterstützung der Menschen und Kommunen im Kreisgebiet haben. Das heißt, dass wir ergebnisoffen in die Debatte einsteigen.“ Das, was sich hinter dem Begriff „Biosphärenregion“ verbirgt, sollte an diesem Abend geklärt werden.

Doch am Ende zeigte sich, gezündet hat die Idee noch nicht ganz; vielen der etwa 90 interessierten Gäste fehlten die Praxisansätze. „Was ist gewollt? Was ist der Nutzen einer Biosphärenregion?“, stand auf einem Kärtchen an einer Pinnwand. Ein Bürger formulierte es so: „Ich sehen keinen Mehrwert für die Region durch das Projekt.“ Und doch standen am Ende der Veranstaltung viele Anwesende lange zusammen, um über Inhalte und mögliche Projekte zu diskutieren. „Das Thema ist in den Köpfen angekommen“, sagte jemand.

Geprüft wird, ob der Rheingau-Taunus-Kreis, der Main-Taunus-Kreis und die Landeshauptstadt Wiesbaden eine Biosphärenregion nach UNESCO-Kriterien werden können. „Mensch und Umwelt gemeinsam in die Zukunft zu führen, ist die Leitlinie des Projektes“, so Frauke Druckrey. Es gehe bei den Kriterien der UNESCO nicht ausschließlich um den Schutz der wertvollen Ökosysteme, sondern vielmehr um ein verträgliches und nachhaltiges Miteinander von Mensch und Natur. Es werde wirtschaftliche Entwicklung zugelassen, Bildung und Forschung ermöglicht und bei alldem können die Bürgerinnen und Bürger mitreden, sich mit ihren Ideen und ihren Vorschlägen einbringen. Kernpunkt ist dabei, so Umweltministerin Priska Hinz bei der Vorstellung des Projektes im Februar: „Natur, Tourismus, regionale Wertschöpfung, Landwirtschaft und verträgliche Mobilität sollen in Einklang gebracht werden.“

Frauke Druckrey und Renate Labonté vom Hessischen Umweltministerium weisen zudem auf die einmalige Chance der Region hin, die sich im dicht besiedelten Ballungsraum des Rhein-Main-Gebietes mit steigenden Bevölkerungszahlen befindet: „Unter den 600 Biosphärenregionen weltweit, davon 16 in Deutschland, haben wir keine vergleichbare Konstellation wie hier, nämlich die Verbindung von ländlichem Raum und einer Großstadt und damit einem Wirtschaftsstandort mit Entwicklungspotential.“ Das bietet Chancen. In Deutschland sei noch in keiner Biosphärenregion eine Großstadt mit deren vielfältigen Probleme eingebunden. „Sie haben dadurch eine Pilotfunktion“, sagt Frauke Druckrey und nennt als Beispiel die Verkehrsprobleme der Region. „Setzen Sie sich zusammen und sprechen Sie über die Themen, die auf den Nägeln brennen. Sie lernen sich viel besser kennen und verstehen sich nachher deutlich besser“, so ihr Rat. UNESCO-Biosphärenregionen setzen Individualität in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht voraus, weshalb sie Modellregionen sind.

Die Biosphärenregion müsse nicht von Eschborn im Osten bis Lorchhausen im Westen durchgängig bestehen. „Wenn eine Kommune nicht mitmachen möchte, dann ist das möglich“, so Renate Labonté. Die Biosphärenregion Wiener Wald weise auch weiße Flecken auf. „Nicht alle Bezirke Wiens beteiligen sich an der dortigen Modellregion“, berichtet sie.

Renate Labonté erläutert dann auch den Ablauf des Prozesses. Derzeit sind die drei Bürgerforen in den beiden Landkreisen und Wiesbaden abgeschlossen. Bis Oktober 2018 läuft aber noch die Online-Umfrage der Bevölkerung, in der auch auf Besonderheiten der Region, Verbindendes, ausbaufähige Projekte und Themen hingewiesen werden kann. In der folgenden Planungsphase geht es darum, die räumlichen Grenzen einer möglichen Biosphärenregion zu ziehen, sie in Zonen einzuteilen und die Chancen für alle Kommunen herauszuarbeiten, wobei auch auf die Risiken und Hemmnisse eingegangen wird. In dieser Phase stellt sich dann auch die Frage nach den Kernzonen, die von den Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Kernzonen sind solche Bereiche, in denen die Natur „sich selbst überlassen bleibt“. Vorgesehen für diese Kernzone sind drei Prozent der etwa 138.000 Hektar. Ein Steuerkreis mit Vertretern der Kommunen, der Wirtschaft, Politik, der Winzer, der Landwirtschaft, von Umwelt- und Sozialverbänden sowie der Kirchen begleitet den Prozess, der Ende 2019 abgeschlossen sein soll. Dann stehen die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie fest. Danach haben die Parlamente der Städte und Gemeinden sowie der beiden Landkreise das letzte Wort.

Das Land Hessen unterstützt mit 200.000 Euro die Machbarkeitsstudie. Zur Unterstützung wurde eine Geschäftsstelle eingerichtet.