Dr. Erika Butzmann: „Digitale Medien sind nichts für kleine Kinder“

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Jugendhilfe, Jugendförderung

Fachtag des Netzwerkes „Frühe Hilfen und Kooperation im Kinderschutz“ be­schäftigte sich mit der digitalen Re­volution und den Aus­wirkungen auf Kinder

 

Fachtag des Netzwerkes „Frühe Hilfen und Kooperation im Kinderschutz“ beschäftigte sich mit der digitalen Revolution und den Auswirkungen auf Kinder

„Das Smartphone und das Tablet sind zum Mittelpunkt des Lebens von vielen Menschen geworden; auch von Eltern“, betont Dr. Erika Butzmann. Ohne eine ständige Erreichbarkeit fühlten sich viele verloren, was fast zu einer Abhängigkeit führe. „Alle paar Minuten blicken wir auf das Display, surfen wir im Internet, um nur nichts zu verpassen und haben dann noch die Stöpsel in den Ohren“, berichtet die Erziehungswissenschaftlerin und erzählt von einem Erlebnis: „Ich saß gestern auf einem Bahnsteig und beobachtete dabei eine junge Mutter mit ihrem kleinen Kind. Die Mutter hatte minutenlang nur mit ihrem Smartphone beschäftigt und kümmert sich nicht um ihr Baby, das nicht sprechen kann, aber durch das Bewegen der Arme hin zur Mutter, um deren Aufmerksamkeit buhlte. Jedoch ohne Erfolg.“ Für Dr. Erika Butzmann ein fatales Erlebnis mit sicherlich schwerwiegenden Folgen für die weitere Mutter-Kind-Beziehung.

Dr. Erika Butzmann war zum Fachtag des Netzwerkes „Frühe Hilfen und Kooperation im Kinderschutz“ im Rheingau-Taunus-Kreis gekommen, um über das Thema „Was macht die digitale Revolution mit unseren Kindern?“ zu referieren. Gleichzeitig eröffneten die Jugendhilfe-Dezernentin Monika Merkert, die Leiterin des Jugendsamtes, Liane Schmidt, und die Netzwerk-Koordinatorin Regine Walther-Zeidler die Wander-Ausstellung „Sprich mit mir“ im Gebäude B der Hochschule Fresenius in Idstein. Monika Merkert: „Wir wollen mit der Plakataktion, mit der Ausstellung und Vorträgen sensibilisieren und aufrütteln. Denn oftmals schenken Eltern ihrem Smartphone oder Tablet mehr Aufmerksamkeit wie dem eigenen Kind. Dabei braucht es schon in den ersten Jahren Aufmerksamkeit, eine Bindung zu Mutter und Vater, menschliche Wärme und Zuneigung.“

Die Auswirkungen dieser Nicht-Beachtung sind für die weitere Entwicklung des Babys entscheidend, wie die Erziehungswissenschaftlerin beschrieb. Neueste Untersuchungen von Kinderärzten zeigten die Folgen. Kinderärzte warnen, dass der Smartphone-Gebrauch von Eltern das Bindungs- und Spielverhalten kleiner Kinder beeinflusst. Beides ist die Grundlage für psychische Gesundheit und emotionale, soziale und kognitive Bildung des Kindes und jede Störung hat Folgen für dessen weitere Entwicklung. „Wir wollen deshalb dazu aufrufen, dass Eltern ihren eigenen Medienkonsum, dazu zähle ich auch die Zeit vor dem Fernseher, reduzieren, um sich in dieser Zeit um die eigenen Kinder zu kümmern. Eltern, die mit ihrem Kind sprechen, signalisieren ihm: ‚Du bist mir wichtig! Das spürt das Kind“, erläutert die Jugendhilfe-Dezernentin.

Für Dr. Erika Butzmann gehen diese Aufrufe nicht weit genug: „Die digitalen Medien sind als Spielzeug bei den Kindern angekommen.“ Eltern drückten stolz ihren Kindern das Smartphone in die Hand, um sie etwa  zu beruhigen, beziehungsweise damit diese beschäftigt sind und nicht quengeln. Bei Kindern im ersten und zweiten Lebensjahr könnte dieses Verhalten laut der Referentin verbunden der fehlenden Aufmerksamkeit der Eltern zu Schlafstörungen und Unterdrückung des Hungergefühls bei den Kleinkindern führen. Es gebe zudem Bindungsstörungen zwischen Mutter und Kind. Bei Sechsjährigen könne die ständige Nutzung von Smartphone zu einem Suchtverhalten führen. Die Erziehungswissenschaftlerin: „Ich kennen einen Sechsjährigen, der von frühester Zeit mit dem Smartphone des Vaters spielen durfte, und davon süchtig wurde. Er wollte nur noch mit dem Smartphone spielen. Wir haben ihn auf kalten Entzug gesetzt und das Smartphone weggestellt.“

„Die geistige Entwicklung wird eingeschränkt“, so die Erziehungswissenschaftlerin, die zudem dafür plädierte, digitale Medien nicht in die Hände von Kleinstkindern zu geben. Die Entwicklung wichtiger Fähigkeiten, die das Kind in den ersten Lebensjahren lernen, blieben auf der Strecke. Ihre Vorschläge lauten: „Das Smartphone in Gegenwart des Kindes immer aus dessen Blickfeld nehmen. Bis zum Grundschulalter sollte dies gelten. Digitale Medien sind nichts für kleine Kinder. Das Smartphone niemals Kleinkindern in die Hand geben, wenn Eltern etwas auf dem Display zeigen wollen.“ Hinweise, die zu einer regen Debatte unter den knapp 100 Anwesenden des Netzwerkes führt. Dr. Butzmann: „Ich spreche im Sinne der Kinder und deren Entwicklung und weil wir alle noch nicht wirklich die Auswirkungen kennen, die der Konsum von digitalen Medien auf uns alle haben wird.“ Oder wie sagte es eine Teilnehmerin: „Wir brauchen handyfreie Zonen in Kitas!“