"Diese Zelle hat mich zum Weinen gebracht"

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Jugendhilfe, Jugendförderung

Ausstellung "In gesiebter Luft" wurde im Kreishaus eröffnet / Der Alltag hinter Gittern



"Wisst ihr Leute, ich bin ein starker Mann, aber diese Zelle hat mich zum Weinen gebracht." "Der Täter hat sechs Jahre be

Ausstellung "In gesiebter Luft" wurde im Kreishaus eröffnet / Der Alltag hinter Gittern

"Wisst ihr Leute, ich bin ein starker Mann, aber diese Zelle hat mich zum Weinen gebracht." "Der Täter hat sechs Jahre bekommen, ich habe aber lebenslänglich." Zwei Aussagen, die sich in einer außergewöhnlichen Ausstellung wiederfinden, die noch bis zum 21. Dezember 2012 im ersten Stock des Kreishauses in Bad Schwalbach zu sehen ist. "In gesiebter Luft" heißt die Ausstellung und sie beschäftigt sich mit dem Alltag hinter Gittern, mit ganz offenen, schonungslosen Aussagen von Inhaftierten, aber auch deren Opfern, die ein ganzes Leben lang unter der Tat leiden. "Die Bilder, wie die Aussagen sollen abschrecken", betont der stellvertretende Fachdienstleiter für den Bereich "Jugendhilfe", Erich Blaes, während der Eröffnung der Ausstellung, die im Flur der Jugendgerichtshilfe angesiedelt ist.

"Wir wollen präventiv wirken", ergänzt Blaes und: "Der Alltag in einem Gefängnis soll ohne jede Sentimentalität, ohne für eine Seite Partei zu ergreifen, dargestellt werden." Es ginge darum, die Realität hinter Gittern zu zeigen, erzählt von Inhaftierten, die ihre Eindrücke auch zu Papier brachten. Die Abläufe an jeden monotonen Tag, das Leben in einer knapp acht Quadratmeter umfassenden Zelle, über "Lebensadern hinter Mauern" oder die "einsamen Nächte" - einzelne Titel der insgesamt 19 Banner. Konzipiert wurde die Ausstellung vom Kirchlichen Arbeitskreis Straffälligenhilfe in Kassel. Diesem Kreis gehören Menschen an, die ehrenamtlich Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt Kassel 1 besuchen und dort Gesprächs- und Freizeitgruppen betreuen.

So konnte Erich Blaes zur Ausstellungseröffnung Susanne Hold und Hanna Hirschberger aus Kassel begrüßen, die den Inhalt der Banner ausführlich erläuterten. Auch sie wiesen auf den präventiven Charakter der Ausstellung hin. Es gehe gerade darum, Jugendlichen nachdrücklich vor Augen zu führen, was es bedeutet, straffällig zu werden, und was nach einer Verurteilung passiert, wenn sie hinter Gitter sitzen. So wird das Leben im Knast ungeschminkt präsentiert, formulieren die Gefangenen ihre vielfältigen Eindrücke, Gedanken und Erlebnisse, in einer Justizvollzugsanstalt.

"Nichts ist mehr wie es war", sagt ein Betroffener. Freie Entscheidungen können sie über Jahre nicht mehr selbst fällen, denn letztlich gilt im deutschen Strafrecht: "Strafe muss sein - Wer eine Tat begeht, muss dafür bestraft werden". Und diese Strafe bedeutet wiederum eine strenge Reglementierung und viel Zeit zum Nachdenken. "Wie viel Stunden mailen und telefonieren junge Leute heute am Tag?", fragt Susanne Hold in die Runde und gibt dann selbst die Antwort: "Im Gefängnis darf nur eine vorgegebene Zeit im Monat Mails geschrieben und Telefonate geführt werden." Der Kontakt zur Außenwelt, zu Familie und Freunden bricht ab - das sind die Folgen der Inhaftierung. Und in der Einsamkeit der Zelle "ist Zeit beliebig, verliert der Tag seine Bedeutung, wird er sprichwörtlich weggestrichen", so Hanna Hirschberger.

Die Inhaftierten beschreiben aber auch ihre Sehnsucht nach dem Tag der Entlassung und den Zwiespalt. Denn je näher dieser Tag kommt, umso gefürchteter ist er auch. Denn dann drängt sich die Frage auf, "was passiert dann mit mir in Freiheit". Hirschberger: "Wir wollen Menschen mit der Ausstellung helfen, die auf der Kippe stehen, die dabei sind, eine Straftat zu begehen." Ihnen sollen die Konsequenzen vor Augen geführt werden. Und so kann die Ausstellung - auch in Teilen - von Schulen, Einrichtungen der Jugendhilfe oder der Schulsozialarbeit ausgeliehen werden. Zur Ausstellung gibt es auch Vorschläge für die Unterrichtsgestaltung zu diesem Thema. Erich Blaes: "Wir haben schon einige Anfragen vorliegen."

Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Kreisverwaltung montags bis donnerstags von 8.00 bis 16.00 Uhr und freitags von 8.00 bis 12.00 Uhr zu besichtigen.