"Der Markt braucht qualifizierte Kräfte wie noch nie zuvor"

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Wirtschaft

Qualifizierungsoffensive Rheingau-Taunus startet "Netzwerk Pflege" / Pflegeeinrichtungen suchen händeringend nach Fachkräften / Angebote der Altenpflegeschulen



"Der Markt braucht qualifizierte Kräfte wie noch

Qualifizierungsoffensive Rheingau-Taunus startet "Netzwerk Pflege" / Pflegeeinrichtungen suchen händeringend nach Fachkräften / Angebote der Altenpflegeschulen

"Der Markt braucht qualifizierte Kräfte wie noch nie zuvor", sagt der Leiter der Altenpflegeschule von Mission-Leben Lernen in Wiesbaden, Ingo Planitz, und erntet ein stummes Nicken bei den Anwesenden am "runden Tisch". Der Markt ist jener der Pflegeeinrichtungen und -dienste im Rheingau-Taunus-Kreis und in Wiesbaden und es ist die Suche nach Altenpflegehelferinnen sowie nach Altenpflegerinnen. "Die Betriebe im Pflegebereich -damit letztlich auch die Gesellschaft - befinden sich in einem sehr explosiven Spannungsfeld zwischen der immer weiter ansteigenden Zahl an Pflegebedürftigen und der stetig schwieriger werdenden Suche nach qualifiziertem Personal auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt", ergänzt Gunda Biesel, die Qualifizierungsbeauftragte in der Qualifizierungsoffensive Rheingau-Taunus.

Biesel, ihre Kollegin Ruth Weber-Jung und der Qualifizierungsbeauftragte der Stadt Wiesbaden, Michael Fromm, starteten in Kenntnis der prekären Situation das "Netzwerk Pflege", an dem Einrichtungen der Altenpflege und auch Vertreter der vier Altenpflegeschulen teilnahmen, um über Möglichkeiten der Ausbildung und vor allem der Nachqualifizierung von Personal für den diesen Bereich zu diskutieren. Biesel: "Es geht dabei um einen Meinungs- und Erfahrungsaustausch und daraus resultierend der Suche nach Lösungen. Denn sonst droht der Pflegenotstand!"

Wenn es am Personal fehlt, können die Betriebe den Bedarf nicht mehr decken. "Wer soll sich dann um die älteren, pflegebedürftigen Menschen kümmern?" Die Suche nach jungen Menschen im europäischen Ausland, die eine Ausbildung in den Pflegeeinrichtungen machen wollen, bzw. dort tätig sein wollen, gestalte sich komplizierter als gedacht. Es gebe oftmals Sprachschwierigkeiten und Probleme mit der Eingewöhnung. Wie eine Vertreterin einer Pflegeeinrichtung im Rheingau berichtet, gestaltet sich aber auch die Suche nach Auszubildenden in der Region immer schwerer: "Wir haben ein Image-Problem." Immer weniger Jugendliche wollten in der Altenpflege eine Ausbildung machen. "Und wer eine Ausbildung beginnt, bricht sie oft ganz schnell wieder ab!"

Deshalb setzen die Einrichtungen verstärkt auf Nachqualifizierung des eigenen Personales. Zu dem ersten Treffen in Eltville war deshalb auch Sophie Westenberger vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Universität Frankfurt, die über erste Ergebnisse des Projektes "Branchenspezifische Nachqualifizierung un- und angelernter Beschäftigter in kleineren und mittleren Unternehmen in Hessen" berichtete. "Wie gelingt es, geringqualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in meiner Pflegeeinrichtung dazu zu motivierten, die Nachqualifizierung zur ausgebildeten Altenpflegehelferin, die ein Jahr dauert, oder die Nachqualifizierung zur ausgebildeten Altenpflegerin, die drei Jahre dauert, zu machen?", so Sophie Westenberger.

Schließlich müssen Beruf, Nachqualifizierung mit Besuch in einer Altenpflegeschule und meist noch Familie "unter einen Hut" gebracht werden. "Viele Mitarbeiterinnen, die oft älter sind, schrecken vor dieser Belastung zunächst einmal zurück." Es müssten viele Gespräche geführt werden. Zudem gehe es um finanzielle Förderungsmaßnahmen durch die Agentur für Arbeit, die wiederum von Vera Berthold vorgestellt wurden. "Doch wer diese Nachqualifizierung dann angeht, zeigt sich sehr motiviert und letztlich auch erfolgreich", so die Personalleiterin einer Pflegeeinrichtung, die die Veranstaltung der Qualifizierungsoffensive Rheingau-Taunus und Wiesbaden wie auch die weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer als überaus wichtig einstuften.

Ingo Planitz: "Wir sitzen nun endlich gemeinsam an einem Tisch, die Vertreterinnen und Vertreter der Altenpflegeschulen und die der Betriebe, um über den Bedarf an Weiterbildungsangeboten und auch den Zuschnitt der Kurse zu sprechen." Es müsste dringend nach Lösungen gesucht werden. Denn wie sagt eine Personalleiterin einer großen Seniorenresidenz in Wiesbaden, die unlängst von Baden-Württemberg nach Wiesbaden wechselte: "In Baden-Württemberg ist der Fachkräftemangel im Pflegebereich schon sehr, sehr schlimm. Aber in Hessen ist es eine Katastrophe."

Wie Gunda Biesel betont, gibt es nach den Sommerferien ein zweites Treffen des Netzwerks Pflege. Dann soll das Thema Ausbildungsmarketing für die Pflegeberufe im Vordergrund stehen. "Wir wollen dann zeigen, wie sich die Pflegeeinrichtungen und -dienste darstellen könnten, um Auszubildende zu finden", betont die Qualifizierungsbeauftragte des Kreises.