„Der Klimawandel ist in Hessen angekommen“

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Kreisentwicklung

Landrat Frank Kilian hatte zum Live-Streaming via Internet zum Thema Wassermanagement eingeladen / Wenn die Stadt zum Schwamm wird! / Viele Anfragen und Anregungen aus der Bevölkerung

Landrat Frank Kilian hatte zum Live-Streaming via Internet zum Thema Wassermanagement eingeladen / Wenn die Stadt zum Schwamm wird! / Viele Anfragen und Anregungen aus der Bevölkerung

„Der Klimawandel ist in Hessen angekommen“, betont Michael Denk vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in aller Deutlichkeit. Eine Aussage, die nachhallt und von Denk und den Referenten mit Fakten gestützt wird. Die viel zu heißen und extrem trockenen Sommermonate seit 2018 haben eine extreme Wasserknappheit zur Folge, lassen Ackerböden wegen der Trockenheit aufreißen. Ein Ausgleich dieser Niederschlagsdefizite sei trotz der jüngsten Regenfälle im Frühsommer 2021 nicht in Sicht. „Dafür bedarf es ein Jahr Dauerregen, um den Grundwasserspiegel wieder ansteigen zu lassen“, weist Denk auf die dramatische Situation hin und unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf. Den sieht auch Landrat Frank Kilian, der deshalb zu einem Online-Livestream zum Thema, Trockenheit und Wassermanagement mit dem Titel „Bis zum letzten Tropfen“ eingeladen hatte: „Wir wollen praktikable Beispiele, die sich in den Kommunen bewährt haben, vorstellen und zur Nachahmung empfehlen.“

Zudem geht es dem Landrat um die Wassereinsparung und ein integriertes Wassermanagement: „Wasser ist ein wichtiges Lebensmittel, mit dem jeder von uns sehr sparsam umgehen muss.“ Dass diese Erkenntnis bei den Menschen ankommt, bewies auch die Beteiligung. In der Spitze klickten sich bis zu 280 Personen in den Livestream im Internet ein, um sich via Chat mit ihren vielen Fragen und Anregungen an der Diskussion zu beteiligen. Die Bevölkerung nimmt die Bedeutung des Themas wahr.

Laut Michael Denk hat das Land Hessen zahlreiche Förderprogramme entwickelt, um Wasserversorgung sicherzustellen. So präsentierte Denk unter anderen das Projekt „Schwammstadt“. Dahinter verbirgt sich ein Konzept der Stadtplanung, anfallendes Regenwasser in Städten – etwa in Zisternen – lokal aufzunehmen und zu speichern, anstatt es lediglich zu kanalisieren und in Flüsse abzuleiten. Dadurch können Überflutungen bei Starkregenereignissen vermieden, das Stadtklima verbessert und die Gesundheit von Stadtbäumen gefördert werden.

Dass die Wasserknappheit nicht mehr zu übersehen ist, darin waren sich alle Experten einig. Als Indikator zogen dabei viele den Rhein heran, der in den vergangenen Sommern durch riesige Sandbänke und Niedrigwasser auffiel. Dies geschah wiederum zum Missfallen von Fährbetreiber Michael Maul, der eine spezielle Flachwasserfähre mieten musste, um die Anlegestellen in Oestrich-Winkel und Ingelheim überhaupt noch anfahren zu können. „Der Einsatz kostete viel und war somit eigentlich unrentabel“, merkte er an. Den niedrigen Grundwasserspiegel und die Trockenheit spüren gerade auch die Landwirte und Winzer. Für Weinbaupräsident Peter Seyffardt und Kreislandwirt Thomas Kunz geht es zukünftig darum, Regenwasser im Winter und Frühjahr aufzufangen, um es dann in trockenen Perioden für die Wässerung der Weinberge und Äcker zu nutzen.

„Schließlich wollen und müssen wir auch in der Zukunft sicherstellen, dass wir mit unserem Getreide die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung garantieren können“, so Kunz. Für die Winzer gibt es ein weiteres Problem: Durch die Hanglage von Weinbergen dringt das Regenwasser – vor allem bei Starkregen – oft nicht in den Boden, sondern schießt ins Tal. „Wir können von Konzepten zur Wasserrückhaltung in Australien lernen“, so der Winzer. Neben der Trockenheit der Böden bereiten Seyffardt und Kunz die Unwetter mit Starkregen und Hagel Sorgen. Das Wasser dringe nicht in das Erdreich ein.

Auch Fachdienstleiterin Umwelt der Kreisverwaltung, Antje Schulz, kennt die Auswirkungen der regenarmen Sommer: „Bachläufe fallen verstärkt trocken, weshalb die Obere Wasserbehörde die Entnahme von Wasser aus Bächen schon untersagen musste.“ Wie ein trockenes Bachbett verhindert werden kann, zeigte Daniel Bauer, Bürgermeister von Hohenstein. Die Gemeinde beteiligt sich am „100 Bäche Programm“ des Landes Hessen, das auf die Renaturierung von Bächen zielt. Um die Fließgeschwindigkeit des Wassers im Breithardter Bach zu verlangsamen, werden die Begradigungen des Baches entfernt, die „vor langer Zeit erfolgten“. So verbleibt das Wasser länger im Bachbett innerhalb der Region, so Bauer. Zwei weitere Zapfstellen für Brauchwasser hat die Hochschulstadt Geisenheim unlängst in Betrieb genommen, erläutert Bürgermeister Christian Aßmann. An diesen Stellen im Stadtgebiet können sich heimische Betriebe und die Bevölkerung mit Brauchwasser versorgen. Wer Interesse bekundet, zahlt als Privatkunde 25 Euro und Gewerbetreibender 50 Euro und erhält dafür einen Schlüssel für die Zapfstellen. Der Bedarf pro Tag liege bei etwa 1.000 Kubikmeter schätzt der Bürgermeister.

Im Verlauf der Gespräche wird immer wieder an eine Forderung, die oft schon wiederholt wurde, erinnert: „Es sollen wieder mehr Zisternen in den Gärten von Grundstücken verbaut werden, mit denen das Regenwasser aufgefangen wird, um es später zum Beispiel für die Gartenbewässerung oder für die Spülung von Toiletten zu nutzen.“ So sollten solche Brauchwasserauffangbehälter schon bei der Planung von Neubauten Berücksichtigung finden. In Taunusstein ist dieses Verfahren seit 20 Jahren Pflicht.

In der Stadt wurde laut Bürgermeister Sandro Zehner nunmehr eine „Wasserampel“ installiert, um die Bürgerinnen und Bürger zu sensibilisieren. Sie springt von „Grün“ auf „Gelb“ und dann auf „Rot“, wenn der Verbrauch von Wasser steigt und sich die Situation zuspitzt und somit Wassersparen angesagt ist. In heißen Sommermonaten müsse der Rasen nicht mit Frischwasser gesprengt werden. Das Verhalten führte zu leere Wasserbehältern der Kommunen und ein stetig steigender Wasserverbrauch in Taunusstein sorgen dafür, dass die Stadt in den nächsten Jahren rund 17 Millionen Euro investieren muss, um zum Beispiel die Kapazität der kommunalen (Wasser-) Hochbehälter zu steigern.

Die Sicherstellung der Wasserversorgung umtreibt auch den Bürgermeister von Aarbergen, Matthias Rudolf, obwohl der Rathauschef auf Wasser aus eigenen Brunnen und Quellen im Gemeindegebiet zugreifen kann. Rudolf ist stolz: „Neben Kiedrich und Niedernhausen ist Aarbergen die einzige Kommune im Kreis, die ihre Bürger komplett aus eigenen Wasservorkommen versorgt.“ Doch auch dort hinterlässt die Trockenheit ihre Spuren. Der Wassernotstand musste bereits einmal ausgerufen werden. Mit der Förderung durch das Land, will die Gemeinde nun klären, welche Investitionen notwendig sind, um eine autarke Wasserversorgung dauerhaft sicherzustellen.

Am Ende zog Landrat Frank Kilian ein Fazit der Veranstaltung, die von Anke Seeling moderiert wurde. Die vorgestellten Best-Practice-Beispiele zeigten, dass in den Kommunen das Thema auf der Tagesordnung steht, und dass Konzepte gegen die Wasserknappheit entwickelt werden. Einige Zeitgenossen müssten noch merken, dass Wassersparen notwendig ist, damit sich solche Prophezeiungen nicht bewahrheiten: Niemand will den Wasserhahn aufdrehen und es kommt kein Tropfen Wasser mehr. Landrat Kilian plädierte dafür, mit dem Lebensmittel Wasser sorgsam umzugehen. Er erinnerte zudem daran, dass das Fremdwassernetz nicht unbegrenzt ausbaufähig ist und Investitionen des Wasserbeschaffungsverbandes Rheingau-Taunus in das 50 Jahre alte Leitungsnetz notwendig sind.

Foto: Landrat Frank Kilian und Moderatorin Anke Seeling am Set des Live-Streams zum Thema Wassermanagement im Kreis

Landrat Frank Kilian und Moderatorin Anke Seeling am Set des Live-Streams zum Thema Wassermanagement im Kreis.