„Bücher können für Kinder in dieser Situation tröstlich sein“

|

Kultur

Landrat Kilian und Initiatorin Sabine Stemmler-Heß überreichen Medienboxen im Rahmen des Projektes „Wenn die Worte fehlen - Bilderbücher öffnen Welten“ / Bücher, die das Unbegreifliche erklären sollen, den Krieg

 

Landrat Kilian und Initiatorin Sabine Stemmler-Heß überreichen Medienboxen im Rahmen des Projektes „Wenn die Worte fehlen - Bilderbücher öffnen Welten“ / Bücher, die das Unbegreifliche erklären sollen, den Krieg

Es ist wohl deutschlandweit „eine einzigartige Aktion“, die nunmehr mit der Überreichung „von prall gefüllten Bücherboxen“ so richtig durchstartet, berichtet Initiatorin Sabine Stemmler-Heß. Für diesen Hinweis erhalten die Kulturbeauftragte und Landrat Frank Kilian spontan einen anhaltenden Applaus von den Anwesenden und einen würdigenden Zwischenruf: „So etwas gibt es nur im Rheingau-Taunus-Kreis!“ Auf Initiative von Sabine Stemmler-Heß und mit finanzieller Förderung in Höhe von über 13.600 Euro aus den Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben“ konnte die Aktion gestartet werden, die derzeit von besonderer Bedeutung ist: Wie erkläre ich Kindern die derzeitige Situation, wie, was ein Krieg ist und warum ein solcher entsteht? So betont Landrat Kilian zu Beginn, dass „die Veranstaltung doch eigentlich so wunderbar sein könnte, wäre der Anlass nicht ein derart trauriger.“

Schließlich stellt laut Landrat Kilian der 24. Februar 2022 eine Zäsur, eine Zeitwende dar; nach über 75 Jahren friedlicher Koexistenz in Mitteleuropa. Mit dem Tag des Überfalls der russischen Armee auf die Ukraine, gilt eine neue Zeitrechnung, sind alleine zirka 700 Kinder – von insgesamt etwa 2.700 Menschen – aus ihrem Heimatland in den Rheingau-Taunus-Kreis geflohen und gehen hier in Kindergärten oder Schulen. „Unsere Kinder verstehen natürlich durch Gespräche von Erwachsenen und der täglichen Berichterstattung in den Medien, dass sich etwas in ihrem Umfeld sehr grundlegend verändert hat. In ihrem Kindergarten, in Schulen sitzen plötzlich Kinder neben ihnen im Raum, die sie noch nicht kennen, die oft nicht die deutsche Sprache verstehen und sprechen“, so Kilian.

Auf diese veränderte Situation reagierten Sabine Stemmler-Heß und K.-Michael Schardt vom Netzwerk Leseförderung Rheingau-Taunus im März sofort und entwickelten die Idee für das Projekt „Wenn die Worte fehlen - Bilderbücher öffnen Welten“. Denn für Stemmler-Heß stand sofort fest: „Bücher können für Kinder in dieser Situation tröstlich sein und dabei helfen, miteinander ins Gespräch zu kommen.“ Und dank der mehr als großzügigen Unterstützung des Bundesprogrammes „Demokratie leben“ wurde die Idee auch umgesetzt. Mit dem literaturpädagogischen Bilderbuch-Projekt stellt der Kreis flächendeckend den 110 Kitas, den 15 Bibliotheken und 28 Grundschulen der Region eine Vielzahl an Büchern und Materialien zur Verfügung, die dabei helfen sollen, die veränderte Situation kindgerecht zu erklären. Denn vor allem viele Eltern suchen nach Erläuterungen, wie es zu diesem Krieg, zu Gewalt und Flucht kommen konnte, um dies den Kindern zu erklären. „Die ersten Reaktionen auf unsere Aktion zeigen uns, dass etwa Kita-Leitungen auf eine solche Unterstützungen gewartet haben, weil oftmals auch den Erwachsenen die Worte fehlen, um ein solchen Angriffskrieg zu erklären“, weiß Stemmler-Heß zu berichten. Die Bücher und Materialien sind dafür eine wichtige Unterstützung.

„Wir wollen das Thema Krieg weder bagatellisieren noch dramatisieren. Den Kindern sollen aber Antworten auf ihre Fragen gegeben werden können, kindgerecht, sensibel, ohne Ängste zu schüren. Wir wollen unseren Kindern damit eine Hilfe anbieten, um ihnen die Thematik unter pädagogischen Gesichtspunkten näher zu bringen“, so der Landrat. Frank Kilian zitierte dabei eine Strophe des Liedes von Udo Lindenberg, in dem ein Kind einen Erwachsenen fragt: „Wozu sind Kriege da?“ Das Lied von 1982 sei wieder topaktuell und spiegele die derzeitige Situation wider.

Welche Bedeutung die Auseinandersetzung mit dem Thema hat, wurde durch die Vielzahl an Anwesenden dokumentiert. Bürgermeister, Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen, der Kindertagesstätten und Bibliotheken im Kreisgebiet waren in die Cafeteria des Kreishauses gekommen, um die Bücherboxen und Materialien entgegen zu nehmen. Die Druckwerke hat Sabine Stemmler-Heß selbst ausgewählt, sind in deutscher oder ukrainischer Sprache, teilweise auch zweisprachig. „Und es gibt, die in allen Sprachen funktionieren“, so die Initiatorin.

Die altersgerechten Bücher befassen sich in sensibler Form mit dem Themenkomplex Krieg, Konflikte, Frieden und Toleranz. Hingewiesen wurde auf die zweisprachige – deutsch-ukrainisch – Ausstellung mit Illustrationen aus berühmten Bilderbüchern zu diesem Thema; kuratiert von der Internationalen Jugendbibliothek in München. Diese kann von Schulen im Kreisgebiet über das Medienzentrum des Rheingau-Taunus ausgeliehen werden. An das Medienzentrum können sich auch die Grundschulen wenden, um die Materialien auszuleihen. Von Seiten der Anwesenden herrschte sogleich reges Interesse an den Medienboxen, was wiederum eines verdeutlichte: „Der Rheingau-Taunus-Kreis hat mit der Aktion den Nerv der Zeit getroffen.“ „Wir werden die Bücher ganz sicher einsetzen!“, so eine Bibliothekarin.

Landrat Frank Kilian und die Kulturbeauftragte Sabine Stemmler-Heß warfen zudem schon einmal einen Blick voraus – und zwar auf den 24. Oktober, den „Tag der Bibliotheken“. Den anwesenden Bibliotheksleiterinnen und –leitern überreichten Kilian und Stemmler-Heß – in Anwesenheit der Märchenerzählerin Kathrin Sonza-Reorda – das Buch „Zur Zeit, wo das Wünschen noch geholfen hat“ – die schönsten Märchen der Gebrüder Grimm.

Seit vielen Jahren feiern die Bibliotheken diesen Tag gemeinsam. Immer mit einem vom Fachbereich Kultur ausgewählten Buchgeschenk und immer mit dem Besuch des Landrates bei einer ausgewählten Veranstaltung der gemeinsamen Aktion. In diesem Jahr steht der Tag der Bibliotheken unter dem Motto Märchen – mit einem besonders schönen und neu illustrierten Märchenbuch „Zur Zeit, wo das Wünschen noch geholfen hat“ aus dem Gerstenberg Verlag . Passend dazu fördert der Landkreis aus dem Förderprogramm „Neustart Kulturszene“ 2022 den Besuch der Märchenerzählerin Kathrin Sonza-Reorda aus Rüdesheim in zehn ausgewählten Bibliotheken des Landkreises.

Foto: Die präsentierten Bücher zum Thema fanden schnell das Interesse der Anwesenden. Auf dem Bild ist links Jana Hachenberger von der Wallufer Schiffchenbibliothek und rechts Madeleine Fay von der Gemeindebücherei Niedernhausen zu sehen.

 Die präsentierten Bücher zum Thema fanden schnell das Interesse der Anwesenden. Auf dem Bild ist links Jana Hachenberger von der Wallufer Schiffchenbibliothek und rechts Madeleine Fay von der Gemeindebücherei Niedernhausen zu sehen.