Biolo­gisch gesehen ist die Aar noch lange nicht tot!

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Kleine Darstellung

Kreisfischerei­berater Jürgen Schmoll aufge­schreckt von Bericht in Tages­zeitung / Noch am gleichen Tag Untersu­chungen in der Aar durch­geführt

Aufgeschreckt von einem Bericht in einer hiesigen Tageszeitung Anfang Mai 2015 hat der Kreisfischereiberater Jürgen Schmoll noch am gleichen Tag Untersuchungen in der Aar durchgeführt / Der Rheingau-Taunus-Kreis gibt die Stellungnahme wieder:

„Als ich am Samstag, den 09.05.2015, die Tageszeitung aufschlug, bekam ich einen gehörigen Schock. Da stand in großer Überschrift: „Biologisch ist die Aar tot“. Mein erster Gedanke war, da ist etwas Schlimmes passiert. Ein Chemieunfall oder eine illegale Einleitung von Schadstoffen. Doch davon stand nichts in der Zeitung. Ich fragte mich dann, warum die Aar biologisch tot sein sollte, die ich ja von vielen Besuchen her kannte:

Wenn ein Gewässer in einem schlechten Zustand und somit quasi tot ist, dann gestaltet sich die Unterwassertiefwelt (Fauna) ganz anders. Rolligel, Wasserasseln, Schlammröhrenwürmer, rote Zuckmücken und Rattenschwanzlarven könnten in dieser Unterwasserwelt nicht leben und wären bereits nicht mehr existent. Drei Tage zuvor hatte ich noch zwei Naturwasseramselnester kontrolliert und auch Wasseramseln gesehen, die putzmunter schwammen und tauchten. Außerdem sah ich einen Schwarm Bachforellen, inklusive Nachwuchs. Sollte das alles vorbei und zum Tode verurteilt sein? Zum Glück konnte ich im weiteren Text keinen Hinweis auf eine Vergiftung der Aar finden.

Es ließ mir keine Ruhe, also zog ich meine Wathosen an und nahm meine Untersuchungsgeräte mit. An der Aar angekommen, maß ich den Sauerstoffgehalt, ph-Wert, Temperatur und Fließgeschwindigkeit des Gewässers. Ich entnahm Steine und untersuchte sie auf Kleinlebewesen, die sich aufgrund der Strömung vorwiegend auf der Unterseite der Steine befinden. Ich fand dort Bachflohkrebse, Köcherfliegenlarven, Steinfliegenlarven, Eintagsfliegenlarven, Strudelwürmer und allerhand Weichtiere, die als Nahrungsgrundlage für Wasseramseln und Bachforellen dienen. Die Analyse führte ich an verschiedenen Stellen der Aar durch und begegnete dabei auch Eisvögeln und Fischreihern. Nach 4 Stunden Untersuchung war ich sichtlich erleichtert und mit dem Ergebnis zufrieden: Es war keine biologische oder ökonomische Störung festzustellen. Nach meiner Erkenntnis besteht die Wassergüteklasse der Aar zu 2/3 aus Klasse Zwei und zu 1/3 aus Klasse Drei.

Die Aar liegt mir schon Jahrzehnte am Herzen, da ich seit 1969 unmittelbar am Gewässer lebe. Unter anderem habe ich in der bayrischen Landesanstalt für Fischerei am Starnberger See und beim Naturschutzzentrum Hessen in der ökologischen Forschungsstation Waldeck am Edersee einige Seminare in Ökologie und Biologie für Fließgewässer besucht und mich hierauf spezialisiert. Außerdem besteht seit Jahren ein gutes Einvernehmen mit der Fischereigemeinschaft Einrich-Aar, die sich mit Energie und viel Geld um den Besatz und die Reinhaltung kümmern. Auch die Wasserbehörde des Kreises hat über die letzten Jahre viel Geld investiert und werden dies auch zukünftig für die Aar ausgeben müssen.

Dass das Gewässer nur bedingt durchlässig ist, liegt an den Wehren und Staustufen die durch den Bau der Mühlen rund um die Aar entstanden sind. Allein zwischen Taunusstein-Bleidenstadt und Bad Schwalbach existierten 9 Mühlen. Mittlerweile sind jedoch 75% der Wehre rückgebaut oder durchlässig. Zweigeteilt wird das Gewässer seit jeher durch den Wasserfall bei Adolfseck, der schon im 13. Jahrhundert erwähnt wurde. Die einzelnen Teilstrecken haben jedoch biologisch intakte Biotope aufgebaut und diese auch erhalten. Allerdings sind die anliegenden Kommunen angehalten, die Situation stetig zu verbessern.

 Vor über 40 Jahren haben Horst Fischbach (Fischereiaufseher und Hobbyornithologe) aus Hohenstein und meine Wenigkeit erfolgreich Nistkästen für die Wasseramseln unter den Brücken aufgebaut, um diese zu unterstützen. Aktuell liegt die Anzahl der Wasseramseln bei 2-3 Paaren pro Kilometer und sie verzeichnen Bruterfolge von 90%.

 Hier ist zu betonen, dass die Wasseramsel als Indikator für sauberes Fließgewässer gilt, denn der Singvogel ernährt sich von Kleinlebewesen, die ausschließlich in biologisch sauberem Wasser vorkommen. Schlussendlich müssen Wasserbehörde, Fischereibehörde, Kommunen und Fischereipächter an einem Strang ziehen und die Situation weiterhin verbessern. Zukünftig könnte man dann von einem intakten Gewässer der Güteklasse 1-2 sprechen.“

Jürgen Schmoll
Kreisfischereiberater