Adenauers „Magnet-Theorie“ wirkte erst 28 Jahre nach dem Mauerbau

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Eröffnung der Ausstellung „Die Mauer – Eine Grenze durch Deutschland“ im Kreishaus / „Ironie der Geschichte“

Eröffnung der Ausstellung „Die Mauer – Eine Grenze durch Deutschland“ im Kreishaus / „Ironie der Geschichte“

Gemeinsam mit Prof. Dr. Andreas Rödder eröffnete am Freitag der Stellvertreter von Landrat Frank Kilian, der Erste Kreisbeigeordnete Klaus-Peter Willsch, im Kreishaus die Ausstellung „Die Mauer – Eine Grenze durch Deutschland“ aus Anlass des 60. Jahrestages des Mauerbaus am 13. August 1961. 20 Plakate mit zeitgenössischen Bildern und Texten weisen dabei auf die Geschichte der Mauer und der innerdeutschen Grenze hin. Willsch wies in seiner Ansprache darauf hin, dass die Ausstellung von Schulen ausgeliehen werden kann, um das für Deutschland und Europa bedeutsame historische Ereignis im Unterricht zu thematisieren. Es gehe ihm dabei um das Gedenken an Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen sowie die Opfer, die beim Versuch aus der DDR zu fliehen, ihr Leben ließen, wachzuhalten; gerade auch für viele junge Menschen, die diese Zeit nicht persönlich erlebt haben.

Schließlich markierte der Mauerbau nicht nur die Teilung Berlins und Deutschland. „Er symbolisierte den Eisernen Vorhang, der West und Ost voneinander trennte, den Kalten Krieg und war sichtbares Symbol für den Ost-West-Konflikt und stellt somit ein wichtiges Stück deutschen Zeitgeschehens dar“, so Willsch. „Die Berliner Mauer ist weltweit bekannt“, ergänzte Rödder. Die Ausstellung erinnert an dieses Bauwerk, vom Bau bis zum Fall der Mauer.

Der Historiker und Professor für neueste Geschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Dr. Andreas Rödder, stellte den Bau der Mauer in den Kontext der deutschen Nachkriegsgeschichte. In den Morgenstunden des 13. August riegelten Soldaten und Volkspolizisten der DDR hermetisch alle Übergänge des sowjetischen zu den drei Sektoren der Alliierten zum freien Berlin ab. Stacheldraht zog sich bis zum Bau der Mauer über die Straßen. „Damit vollendete die DDR-Regierung, was sie bereits 1952 begonnen hatte: Ab diesem Zeitpunkt wurde die innerdeutsche Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten abgeriegelt, um die Massenflucht der eigenen Bevölkerung nach dem Westen zu verhindern“, erläuterte Rödder. Bis 1961 bestand aber immer noch die Gelegenheit, von Ost- nach Westberlin zu fahren, um so die DDR zu verlassen.

28 Jahre Teilung war die Folge des Mauerbaus, die fast „schon zur Normalität wurde“. Viele Deutschen hätten in den achtziger Jahren nicht mehr an eine Überwindung der Teilung geglaubt. „Wenn ich den innerdeutschen Grenzübergang bei Herleshausen passiere, verfolge ich auch heute immer noch, wo die Grenze verlief“, gestand der Historiker ein.

Für den Historiker stellte der Mauerbau „einen Akt der Ratlosigkeit“ aller beteiligten Siegermächte dar, quasi der vorläufige „‘Schlussstein‘ des deutschen-deutschen Teilungsprozesses, der bereits in den Jahren zwischen 1946 bis 1949 begann“. Für Stalin und die UdSSR stellte die DDR ein Problemfall dar, war den Mächtigen in Moskau das Ost-Berliner Regime „stets ein Klotz am Bein“, das immer wieder die Kriegsgefahr in der Mitte Europas heraufbeschwor. Gleichzeitig blieb aber das Problem Berlin mit dem völkerrechtlichen Status: Die Alliierten regierten über Gesamt-Berlin. Gleichzeitig wollte auch im Westen niemand wegen Berlin einen Krieg riskieren.

Um aber das letzte „Schlupfloch“ zu schließen und den Massenexodus vor allem junger Menschen aus der DDR nach Westdeutschland zu beenden, gab die UdSSR-Führung nach langem Ringen im Jahr 1961 nach und ließ die Sektorengrenze nach West-Berlin schließen. Rödder: „Dies war die Kapitulation des DDR-Regimes gegenüber der eigenen Bevölkerung, die mit den Füßen abstimmte, wo sie leben wollte.“

Laut Prof. Dr. Andreas Rödder bedeutete der 13. August 1961 für die Führung in Ost-Berlin die zweite Gründung der DDR, die sich im Anschluss politisch wie wirtschaftlich stabilisieren konnte. Gleichzeitig stellte der Mauerbau, so Prof Rödder, eine Niederlage der Bonner Politik dar. Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte auf eine „Magnet-Theorie“ gesetzt, nach der sich die DDR-Bürger für Freiheit und Wohlstand entscheiden werden und letztendlich die DDR verlassen und somit destabilisieren werden und den Staat schließlich obsolet machen. „Die Ironie der Geschichte“ und damit des Mauerbaues sei es aber, dass gerade dieser Wunsch nach Freiheit 28 Jahre später die Deutschen in der DDR dazu brachte, die Mauer zu Fall zu bringen. „28 Jahre ließ sich die Freiheit unterdrücken, brach sich dann aber ihre Bahn“, betonte der Historiker.

Abschließend wies Andreas Rödder darauf hin, welch kostbares Gut die Freiheit ist, die zudem kein Selbstverständnis ist. Der Westen und Europa müssen sich deshalb immer wieder die Frage stellen: „Wo steht die Freiheit?“ Verstehe man darunter nur die Freiheit der Finanzmärkte und eine ökonomische Freiheit? Und wie steht es um die Einhaltung der individuellen Freiheitsrechte aus. Das politische System Chinas nannte Rödder als Gegenpol: Das dortige politische System beruht formal auf dem Führungsanspruch der Kommunistischen Partei gegenüber dem gesamten Land. Obwohl es eine Zusammenarbeit mit den „acht demokratischen Parteien und Gruppen gibt, ist die Volksrepublik ein autokratisches Einparteiensystem, das die Freiheitsrechte des Einzelnen einschränkt. „Es ist deshalb gerade die Aufgabe der westlichen Demokratien, diese Freiheitsrechte immer wieder zu verteidigen und die Besonderheiten herauszustellen“, forderte Prof. Dr. Andreas Rödder zum Abschluss seines Vortrages.

Foto:
Erster Kreisbeigeordneter Klaus-Peter Willsch und Prof. Dr. Andreas Rödder eröffnen die Plakat-Ausstellung „Die Mauer“ und schauen sich die Exponate von Achim Carius an, der ein Stück Berliner Mauer und Teile der Grenzzäune mitgebracht hatte.

Erster Kreisbeigeordneter Klaus-Peter Willsch und Prof. Dr. Andreas Rödder eröffnen die Plakat-Ausstellung „Die Mauer“ und schauen sich die Exponate von Achim Carius an, der ein Stück Berliner Mauer und Teile der Grenzzäune mitgebracht hatte.