„Wir lernen selbst jeden Tag noch Neues hinzu“

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Flüchtlinge

Binia Ehrenhart-Rosenberger koordiniert seit 20 Monaten Bildungs­angebote für Neuzuge­wanderte im Kreishaus / Viel unterwegs in den Unter­künften des Kreises

Binia Ehrenhart-Rosenberger koordiniert seit 20 Monaten Bildungsangebote für Neuzugewanderte im Kreishaus / Viel unterwegs in den Unterkünften des Kreises

„Ich lerne selbst jeden Tag noch Neues hinzu, bin viel unterwegs durch unsere Gemeinschaftsunterkünfte im Kreisgebiet und führe sicherlich auch ein wenig einen Kampf gegen bürokratische ‚Windmühlen‘.“ Seit 20 Monaten koordiniert Binia Ehrenhart-Rosenberger im Rahmen eines Förderprogrammes des Bundes die kommunalen Bildungsangebote für Neuzugewanderte im Kreishaus. Das Bundesprogramm mit dem Titel „Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote für Neuzugewanderte“ wurde unlängst um zwei Jahre verlängert, weil sich nach Anfangsschwierigkeiten deutliche Erfolge einstellen. „Viele meiner Kollegen in anderen Landkreisen haben schnell ‚kapituliert‘, weil die Inhalte des Programmes wenig griffig waren und sie keinen Ansatz für ihre Arbeit fanden“, erzählt die Koordinatorin: „Für meine Arbeit hier im Kreis war die erarbeitete Integrationsstrategie extrem hilfreich, auf der ich aufbauen konnte, um bestehende Kontakte zu nutzen.“

Wie verbesserte Binia Ehrenhart-Rosenberger für Geflüchtete die Zugänge zum Bildungssystem im Kreis? Wie konnten bestehende Bildungsangebote aufeinander abgestimmt werden, um die Integration der Geflüchteten zu erleichtern? „Zu Beginn haben wir Analysen vorgenommen. Welche Personen sind zu uns in den Kreis gekommen? Welche Ausbildung hat der Einzelne? In welchem Beruf arbeitete er oder sie?“, berichtet die Koordinatorin. Dafür nutzte sie auch Kontakte, die während des Prozesses für die Erstellung der Integrationsstrategie entstanden, und bestehende Strukturen zu den ehrenamtlichen Betreuern von Flüchtlingen in den Kommunen des Kreises.

Erfolgreich lief der Austausch zwischen Fachdiensten im Kreishaus, mit der Agentur für Arbeit und den Beruflichen Schulen im Rheingau und Untertaunus, um den Übergang der Schülerinnen und Schüler mit Flüchtlingshintergrund (InteA-Klassen) zwischen Schule und Beruf bestmöglich zu begleiten. Zudem war klar: „Gute Deutsch-Kenntnisse sind die Basis für eine gelingende Integration. Es gibt viele formale und nonformale Bildungsangebote, die speziell Menschen mit Flüchtlingshintergrund angeboten werden oder auch von ihnen genutzt werden können. Es fehlte nur häufig an der nötigen Transparenz.“

Binia Ehrenhart-Rosenberger: „Ein Ergebnis der Analyse: Sie ergab ein Spiegelbild der Gesellschaft. Vertreter aus allen Schichten, mit oder ohne Bildungsabschlüsse waren vorhanden, Menschen aus Großstädten und vom Land, die dort kein fließendes Wasser oder Strom hatten.“ Hinzu kam das Bewusstsein für die kulturellen Unterschiede und Traditionen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. „Frauen in muslimisch geprägten Ländern sind oft für den Haushalt zuständig, verlassen ihre Wohnung alleine nur ganz selten. Solche Erkenntnisse waren wichtig, um passende Bildungsangebote unterbreiten zu können“, berichtet die Koordinatorin. Die Kinder lernten zwar wegen der Schulpflicht schnell Deutsch, benötigen aber gerade nach der Schule noch mehr Unterstützung.

„Schwieriger ist es, die Frauen zu animieren, die Deutsch-Kurse zu besuchen. Zumal es oft an den Betreuungsangeboten für deren Kinder fehlt“, so Binia Ehrenhart-Rosenberger. „Wir haben einige Deutsch-Kurse in die Unterkünfte verlegt, um vor allem Frauen zu bewegen, an diesen teilzunehmen. Die Kurse wurden sehr gut angenommen“, erzählt sie. Doch für reine Frauen-Kurse mit Kinderbetreuung fehlten entweder die Betreuerinnen für die Kinder oder geeignete Räume oder die Finanzierung klappte nicht. „Es ist kompliziert und sorgt für zeitliche Verzögerungen“, betont sie. Binia Ehrenhart-Rosenberger hat aber die Realisierung ihrer Idee, in den großen Unterkünften des Kreises für Frauen Deutsch-Kurse mit einer Betreuung für deren Kinder anbieten zu können, noch nicht aufgegeben. „Viele Frauen sind dank dem Einsatz der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern in den einzelnen Kommunen hoch motiviert, gehen zielgerichtet durch die Welt. Sie besuchen die Sprach-, Kultur- oder Näh-Cafés oder die Frauenräume, um die deutsche Sprache zu lernen. Anderen fällt es schwierig, sich außerhalb der Unterkunft zu bewegen. Aber auch an sie richten sich unsere Angebote“

Manchmal sind es nur Nebensächlichkeiten, die den „normalen“ Ablauf verändern. „In vielen Ländern, aus denen die Geflüchteten stammen, herrscht eine große Angst und Hysterie vor Schlangen. Als ein Bewohner einer Unterkunft in Bad Schwalbach bei seinem Spaziergang im Wald auf eine Natter stieß, wollte er danach das Gebäude nicht mehr verlassen“, berichtet die Koordinatorin. Dann beginnt ihre Vermittlung von Bildung und Wissen auf einem niedrigen Niveau: „Mittels Exkursionen und den Erläuterungen eines Fachmanns will ich diesen Menschen die Angst nehmen.“ Auch das sind für sie Integrations- und Bildungsangebote, damit sich die Geflüchteten in ihrer neuen Umgebung zurechtfinden.

„Wir kommen mit unseren Integrationsbemühungen jedoch voran. Geld für Deutsch-Kurse ist vorhanden. Und natürlich gibt es im Kreis viele Initiativen, die sich um die Neuzugewanderten kümmern“, betont sie. Es gibt viele erfolgreiche Projekte im Kreis; etwa die Zusammenarbeit zwischen der Fresenius-Hochschule und den Schüler der InteA-Klassen der Beruflichen Schulen Untertaunus. Studenten geben den Schülern Nachhilfeunterricht; gerade auch für die Fächer Biologie, Mathematik und Physik.

Positive Auswirkungen hat auch die Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale. „Viele Geflüchtete unterzeichneten Verträge mit unterschiedlichen Geldinstituten, haben diverse Handyverträge und merken auf einmal, dass sie das Kleingedruckte nicht gelesen haben, oder dass sie die finanziellen Forderungen nicht begleichen können“, sagt die Koordinatorin und weiter: „Die Verbraucherzentrale bietet Vorträge an, in denen sie über Themen wie Handy- und Internetverträge, Mahnungen oder Haftpflichtversicherung berät.“  Auch solche Angebote zu vermitteln, sieht Binia Ehrenhart-Rosenberger als ihre Aufgabe an. „Es geht voran“, bilanziert sie abschließend.